Schmerzfreiheit und Schlaf für alle! Von Anne Kuhlmeyer Unter Umständen gibt es keine Alternative für einen gebeutelten Gastronomen, als den persönlichen Schutzgelderpresser im eigenen Betonboden zu versenken, selbst wenn man sich damit akustische Intrusionen einhandelt oder sich die Gewaltexzesse im postbrexitischen Königreich zur Last legen muss, wie Leigh – freundlich, kompetent, schwul – das egozentrisch tut. Denn der Erpresser hatte eine alteingesessene, exzellent vernetzte Organisation hinter sich, die sich nicht gern in die Suppe spucken lässt. Schon gar nicht von jemand Neuem, der ihr den Gewinn aus Drogengeschäften schmälert und
Read More Wie wird man zur Ratte? Langsam über rote Linien kriechen! Don Winslows „Corruption“ zeigt eine zur Selbstzerstörung führerende Grenzüberschreitung. Von Peter Münder. Zu Don Winslows Krimi-Lieblingsklassikern gehören Chester Himes, Robert B. Parker, Raymond Chandler und Elmore Leonard: „Die haben Krimis in Musik verwandelt“, erklärte Winslow jetzt der New York Times. Alle fünf Jahre liest er nochmal Klassiker wie „Krieg und Frieden“ oder „Die Brüder Karamasow“; zu einem Autoren-Dinner würde er auf jeden Fall Shakespeare, Raymond Chandler und George Eliot einladen. Keine Frage: Der 63jährige Winslow hatte schon immer ein großes
Read More Verspielt! Von Sonja Hartl „It makes me happy“. Diese einfache, ehrliche Erklärung hat Chet Baker (Ethan Hawke) für seine Heroinsucht. Durch den Stoff wird er glücklich, gewinnt Selbstvertrauen und hat das Gefühl, er könne in jede Note, die er spielt, regelrecht hineinkriechen. Am Anfang von Born to Be Blue hat ihn seine Sucht in ein italienisches Gefängnis gebracht. Er liegt auf dem harten, kalten Betonboden und imaginiert eine Trompete, aus deren Schalltrichter eine große Spinne langsam hervorgekrochen kommt. Dann wechselt der Film von Farbe zu Schwarzweiß, Chet erinnert sich an
Read More Von Fischen und Drogen Von Sonja Hartl Es ist die einfache und altbekannte Geschichte eines schief laufenden Drogendeals, die Cynan Jones in „Alles, was ich am Strand gefunden habe“ erzählt. Jedoch nutzt er sie lediglich als losen Rahmen, um über drei Männer zu erzählen, die die Möglichkeit, mehr Geld zu machen, in Gefahr bringt. Dass sie es nicht alle überleben werden, macht schon der starke Prolog deutlich: ein Mann liegt tot am Strand, ein anderer fragt sich, was er getan hat. Aber man weiß hier noch nicht, von wem die
Read More Fiktiv und doch sehr real Von einer untergegangenen, archaischen Welt in den kalabrischen Bergen erzählt der italienische Autor Gioacchino Criaco in seinem Debüt „Schwarze Seelen“. Von Frank Rumpel. Es ist eine geschichtsträchtige, mit Mythen und Traditionen vertraute, aber auch strukturschwache Gegend auf der italienischen Stiefelspitze, die er bestens kennt, weil er von dort stammt. In den abgeschiedenen Dörfern lebten die Leute in den 1960er und 70er Jahren noch von der Ziegenhaltung und mancher verdiente sich etwas dazu, indem er Entführungsopfer der N’drangheta, der kalabrischen Mafia, versteckte, bis Lösegeld bezahlt wurde.
Read More Schreiben unter Einsatz des Lebens Von Jürgen Neubauer „Wir würden ja gerne was über den Drogenkrieg veröffentlichen. Aber von mexikanischen Autoren habe ich zu dem Thema noch nie ein vernünftiges Buch in die Finger bekommen. Warum ist das so?“ fragte mich vor ein paar Jahren eine Lektorin auf der Frankfurter Buchmesse. So platt das klang, sie hatte nicht Unrecht. In mexikanischen Buchläden liegen natürlich stapelweise Bücher über die Drogenkartelle, doch die meisten Autoren suchen sich eine schillernde Figur, eine steile These oder einen exotischen Nebenschauplatz und kratzen nicht einmal an
Read More Im Land der letzten Dinge von Jürgen Neubauer In einem Kapitel seines neuen Buchs Eine Geschichte der Gewalt: Leben und Sterben in Zentralamerika beschreibt der salvadorianische Journalist Óscar Martínez, wie die Anwohner einer ärmlichen Straße von San Salvador aus ihren Häuschen fliehen. Panisch zerren sie Matratzen und Tische aus ihren schmalen Türen und verladen sie auf Pritschenwagen, um sich zu Verwandten in anderen Stadtteilen zu flüchten. Die Szene wird live im Fernsehen übertragen, und vor laufenden Kameras erklären einige verschreckte Anwohner den Grund ihrer Flucht: Einige Wochen zuvor waren vier Frauen
Read More Das normale Leben als Ausnahmezustand Anna Veronica Wutschel über die famose Crime-Serie „Happy Valley“. Fiktion, gute Fiktion, erfasst Realität in all ihrer Vielfachdimensionalität, navigiert sich durch verschiedene Perspektiven und enthüllt Wahrheiten, die nicht als kohärentes Bild erscheinen müssen, um ein Ganzes zu erfassen. Fiktion trifft vielleicht dann am ehesten auf Realität, wenn sie das Offensichtliche ebenso ernst nimmt wie uminterpretiert, die Kausalprinzipien ebenso anerkennt wie unterläuft, so dass Bedeutungszuschreibungen letztlich immer fragwürdig erscheinen. Die Autorin Sally Wainwright, die u. a. durch die Serie “Scott und Bailey” auch hierzulande bekannt ist,
Read More Nebeltropfen 1 bild / 100 worte Annemarie Schwarzenbach erwähnte einst am Rande einer Einkaufsliste mit Brot, Gemüse ein Volk im Hochland der Paschtunen, das über Nebeltröpfchen Nachrichten von Verstorbenen empfängt. Was die Toten sagen: Ihr Kinder des namenlosen Elends, Hoffnung naht, harret der Ziegen! Aha: – Klopf klopf. – Wer da? – Der Erlöser. – Was wollen Sie? – Erlösen! – Aber wovon? – Von all euren Ängsten und Sorgen. – Und wo sind nun die Ziegen? – Comme toujours auf Drogen. – Ach! – – – Wir befragen dazu
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