Geschrieben am 21. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Wolfgang Hilbig: Das Provisorium

Geld regiert diese Welt

Wolfgang Hilbigs zweiter Roman „Das Provisorium“ ist kein literarisches Vergnügen und mutet über weite Strecken wie eine schon fast anachronistische Kultur- und Konsumkritik an.

Der Schriftsteller C. aus Leipzig reist in den späten achtziger Jahren mit einem Visum in den Westen und fühlt sich schon bald überhaupt keiner Welt mehr zugehörig“. Sein Leben ist aus den Schienen gelaufen und hat unter der unentscheidbaren Frage Wohin soll ich gehen“ nurmehr provisorischen Charakter.

In endlosen Monologen sinniert C. über die verachtete, vergiftende DDR auf der einen und die BRD auf der anderen Seite. Wie ein Fremdkörper bewegt er sich hier durch die mit Zeichen überwucherten, glitzernden Einkaufsmeilen und durch eine rauschende Feier von Shopping, Sex und Fun. Im Westen tobt eine permanente Konsumrevolution“ und frißt unmerklich ihre Kinder. In einem verzwickten Knoten aus Schreibblockaden, zunehmendem Alkoholkonsum und einer zerreibenden menage á trois entgleitet C. nach und nach die Wirklichkeit“. Hilflos kreiselt er in einem Labyrinth von Lüge und Betrug“ und reibt sich in einer Suada aus Selbsthaß und Selbstzweifel auf – so sehr, daß sogar die Ereignisse um den Fall der Mauer ihm fern“ bleiben.

Wolfgang Hilbigs zweiter Roman Das Provisorium“ ist kein literarisches Vergnügen und mutet über weite Strecken wie eine schon fast anachronistische Kultur- und Konsumkritik an: dann erkannte er, daß die Bücher hier im Westen nichts mehr wert waren … der Verstand der Leute wurde ersäuft in einer ungeheuren Flut farbenprächtiger zappelnder Bilder“. Wolfgang Hilbig tischt dem Leser in zäher Dramaturgie und ohne stilistische Brillanz – und das schreibe ich mit der vielleicht etwas zynischen Arroganz des Wessis“ – noch einmal all das auf, was er eigentlich schon zu Genüge weiß: Geld und noch einmal Geld regiert diese Welt.

Von Karsten Herrmann

Wolfgang Hilbig: Das Provisorium. Sondereinband – 209 Seiten – Kiepenheuer u. W., Köln Erscheinungsdatum: 2001 ISBN: 3462030426