Geschrieben am 6. Juni 2009 von für Bücher, Litmag

Willy Vlautin: Northline

Lakonisch bis zum Äußersten

Auch in seinem neuen Roman erweist sich Willy Vlautin als Meister darin, aus dem ganz und gar Gewöhnlichen etwas ganz Besonderes zu machen und den vermeintlichen Bodensatz der amerikanischen Gesellschaft ins literarische Licht zu rücken. Von Karsten Herrmann

Vlautins Protagonistin Allison trudelt in Las Vegas traurig und hoffnungslos zwischen Alkohol, Drogen und ihrem gewalttätigen Freund Jimmy durch ein Leben ohne Zukunft: Sie kommt aus einem kaputten Elternhaus, hat keinen Schulabschluss und keine Ausbildung und hält sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Voller Verzweiflung und Selbstanklage schreibt sie sich selbst giftige Briefe: „Du bist ein schlechter Mensch. Alles Gute, was dir jemals passiert ist, hast du kaputt gemacht und alles Schlechte groß werden lassen. Du fährst zur Hölle.“ Ihr einziger Rettungsanker ist Paul Newman, in dessen Filme sie sich flüchtet und mit dem sie Dialoge führt.

Als sie schwanger wird, gibt Paul Newman ihr auch die Kraft, einen Schlussstrich zu ziehen und nach Reno zu flüchten. Hier versucht sie ihr Leben in die Hand zu nehmen, doch nachdem sie ihr Kind zur Adoption frei gegeben hat, fällt sie immer wieder in Momente des Selbsthasses und der Selbstzerstörung zurück. Doch tapfer rappelt sie sich immer wieder auf.

Ganz nah bei den Menschen

Wie schon in Motel Life ist Willy Vlautins literarischer Kosmos auch in Northline bevölkert von Gestrandeten, Geschundenen und Gezeichneten, dem „White Trash“ am Rande der amerikanischen Gesellschaft. Den Soundtrack dazu liefert der Songwriter und Sänger der Folkrockband Richmond Fontaine auf der dem Buch beiliegenden CD gleich mit. Zu deren melancholischen Gitarren-Riffs führt er uns durch die trostlosen Vororte, die gar nicht glitzernde Welt der Kasinos, Waschsalons, billigen Bars und Diners.

Vlautins Prosa ist bis zum äußersten lakonisch und schlicht und verzichtet auf jegliche Schockeffekte oder Idealisierungen. Sie ist immer ganz nahe bei den Menschen, denen er ein authentisches Gesicht gibt und die doch bei aller Schwäche und Misere eine erstaunliche Kraft entfalten, um doch noch einen Zipfel vom Glück zu erhaschen.

Karsten Herrmann

Willy Vlautin: Northline (Northline, 2008).
Aus dem Amerikanischen von Robin Detje.
Berlin: Berlin Verlag 2009. 200 Seiten. 19,90 Euro.