Geschrieben am 25. Februar 2007 von für Bücher

William Boyd: Ruhelos

Sublime Hochspannung

In die kalte und einsame Welt der Spionage, des Tarnens, Täuschens, Tricksens und Verratens führt der neue Roman des hierzulande noch immer unterschätzten britischen Erzählers William Boyd.

Nach einem langen Leben in scheinbar völliger Normalität eröffnet die rüstige Seniorin Sally Gilmartin im heißen Sommer 1976 ihrer in Oxford promovierenden Tochter Ruth ein schockierendes Geheimnis: Ihr wahrer Name sei Eva Delektorskaja und sie sei 1939 in Paris als russische Emigrantin für den britischen Geheimdienst angeworben worden.

In einem ständigen Zeitenwechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit eröffnet uns William Boyd in der Folge die Puzzleteile eines perfiden Spionagethrillers und eines nicht ganz gewöhnlichen Familienlebens.

Unter der Führung des charismatischen Lucas Romer wird die hübsche Eva zu perfekten Spionin ausgebildet und geht zunächst in Belgien und dann in den USA ihrem Job nach. Ihre „einzige, entscheidende Aufgabe“ lautet, die USA dahin zu bringen, aus eigenem Interesse in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Dazu wird die Medien-Wirklichkeit mit gezielter Desinformation über ein verzweigtes Korrespondenten-Netz manipuliert. Die Entscheidung soll eine gefälschte deutsche Karte von Mexiko bringen, mit der die Bedrohung Amerikas durch die Nazis deutlich werden soll. Doch bei der Transaktion an der mexikanischen Grenze gerät Eva in eine Falle und kann sich in letzter Sekunde nur mit einem Mord retten: „Sie musste der Wahrheit ins Auge sehen: jemand hatte sie verraten.“

Mit britischer Gelassenheit und Ruhe entwickelt William Boyd seine Spionage- und Familiengeschichte und verzichtet auf harte Action und schnelle Knalleffekte. Stattdessen erspürt er „die dunkle Unterströmung der Angst“ und das Leben in einer Welt, in der die einzige Regel gilt: Traue niemandem. Stück für Stück baut er mit seiner plastischen und elegant dahin schnurrenden Prosa so eine sublime Hochspannung auf und lässt es schließlich in der Gegenwart zu einem psychologischen „Showdown“ mit dem damaligen Verräter kommen.

Karsten Herrmann

William Boyd: Ruhelos. Aus dem Englischen von Chris Hirte. Berlin-Verlag 2007. 370 Seiten. 19,90 Euro.