Geschrieben am 19. Dezember 2009 von für Bücher, Crimemag

Walter Wolter: Der Fremde aus dem Wald. Bruno Schmidts letzter Fall

Das Herz eines Boxers

In einem früheren Leben war Bruno Schmidt Profiboxer. Manchmal begegnen ihm Leute, die sich an diese Zeit erinnern. Sie nennen ihn „Hammer“. Denn unter diesem Namen war er eine große Nummer im Ring. Inzwischen hat Schmidt ein Alter erreicht, in dem man auf körperliche Auseinandersetzungen gerne verzichtet. Dass er sich trotzdem öfter mal prügeln muss, verdankt er seinem neuen Beruf. Bruno Schmidt ist Privatdetektiv. Seinen ersten Auftritt hatte er 2001 in Walter Wolters Kriminalroman Hundstage – Wolfsnächte, damals noch bei Haffmans erschienen. Das neue Buch mit Bruno Schmidt hat Joachim Feldmann gelesen. Wehmütig …

Mit Schmidts zweitem Fall, Geliebter Räuber (2004), wechselte Wolter zum saarländischen Gollenstein-Verlag, wo auch die weiteren Folgen der Reihe herauskamen. Und es stimmt uns traurig zu vernehmen, dass nun mit Der Fremde aus dem Wald offenbar Schluss sein soll. Wir haben den raubeinigen Ermittler nämlich ins Herz geschlossen und würden ihm gerne weiterhin bei der Arbeit zusehen. Zu verdanken hat Schmidt diese Anhänglichkeit dem Erzähltalent seines Schöpfers. Walter Wolter schreibt eine Prosa, die in ihrer Mischung aus Witz und Lakonie in der deutschsprachigen Kriminalliteratur ihresgleichen sucht. Da sitzt jedes Wort am richtigen Platz, und es fehlt auch nicht jenes Quäntchen Sentimentalität, ohne das seit Chandler kein hartgesottener Detektivroman auskommt.

Raubein mit Herz …

Der Fremde aus dem Wald zeigt Bruno Schmidt zunächst von seiner schwachen Seite. Gerade 50 geworden, muss er damit fertig werden, dass seine langjährige Freundin einen jüngeren Liebhaber gefunden hat. Schmidt leidet. Allerdings nur im Geheimen. Ein harter Bursche wie er kennt schließlich keinen Trennungsschmerz. Da kommt ihm ein scheinbar lukrativer Auftrag gerade recht. Einem schwerreichen Autohändler ist der neue Freund des geliebten Töchterleins ein gewaltiger Dorn im Auge. Schmidt soll den unliebsamen Schwiegersohn in spe notfalls mit Gewalt davon überzeugen, dass er besser das Weite sucht. Dies gestaltet sich allerdings ein wenig schwierig, handelt es sich doch um einen exzellent trainierten Kampfsportler, dem mit der Routine des Ex-Boxers nicht so ohne weiteres beizukommen ist. Zudem scheint der junge Mann zu einer nicht ungefährlichen Bande von Schutzgelderpressern zu gehören, die den Geschäftsleuten der Region das Leben schwer macht. Aber damit nicht genug. Schmidt hat noch ein anderes Verbrechen aufzuklären, allerdings ohne, dass ihm jemand einen Auftrag erteilt hätte. Der Fremde aus dem Wald, auf den der Titel des Buches verweist, ist ein offenbar zu Tode geprügelter Schwarzer. Und obwohl ihn niemand zu identifizieren weiß, wird anonym eine hohe Belohnung für die Aufklärung der Tat ausgesetzt.

Leiche & Fäden

Wie es sich für das Genre gehört, fordern die Ermittlungen Schmidts Verstand ebenso heraus wie seine Fäuste. Der alte Kämpfer erhält reichlich Gelegenheit zu zeigen, was in ihm steckt. Doch der Fall wird so noch nicht gelöst. Vieles ist anders als es zunächst scheint, und Schmidt muss sich auf manche Überraschung gefasst machen. Irgendwann landet er sogar für kurze Zeit im Knast, eine Episode, die seinen lädierten Seelenzustand wunderbar illustriert.

Ein Kriminalroman also, der seine Leser, anders als den Helden, wunschlos glücklich machen könnte, wäre da nicht der Plot. Für meinen Geschmack ist es ein bisschen viel, was uns Walter Wolter hier auftischt. Während er die Geschichte um die Schutzgelderpresser relativ abrupt ihrem Ende zuführt, spinnt er um die Leiche im Wald ein ganzes Knäuel von Handlungsfäden, um diese kurz vor Schluss in Windeseile wieder zu entwirren. Aber diesem kleinen Makel zum Trotz: Der Abschied von Bruno Schmidt fällt uns schwer, und wir schließen das Buch in der Hoffnung, dass es doch noch nicht sein letzter Fall gewesen sein wird.

Joachim Feldmann

Walter Wolter: Der Fremde aus dem Wald. Bruno Schmidts letzter Fall.
Merzich: Gollenstein 2009. 220 Seiten. 14,90 Euro.

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