Geschrieben am 16. Februar 2004 von für Bücher

Veit Heinichen: Tod auf der Warteliste

Ein Commissario auf der Kippe

Wie gewohnt vereinigt Veit Heinichen auch in seinem neuen Triest-Krimi die Spannung mit viel Lokalkolorit und politischen Seitenhieben.

Eigentlich scheint für Commissario Proteo Laurenti, dem Protagonisten von Veit Heinichens atmosphärisch dichten Triest-Krimis, alles prima zu laufen: Die Kinder sind aus dem Haus, er wurde zum „Vize-Questore“ befördert, ist mit seiner Frau Laura in ein schickes Haus mit herrlichem Meerblick umgezogen und leistet sich als Bonbon auch noch eine rassige Geliebte. Doch dann schlägt nicht nur das Verbrechen zu…

Skrupellose Organhändler-Mafia
In seinem dritten Fall hat es Laurenti mit der international operierenden Organhändler-Mafia zu tun. Unter den Ärmsten der Armen werden mit dem Versprechen auf ein paar tausend Dollar menschliche Ersatzteillager rekrutiert, um ihnen Nieren und andere lebenswichtige Organe zu entnehmen: „Das Geschäft war lukrativ, und gut ausgebildete, skrupellose Spezialisten versorgten die Kundschaft“.

Eine zentrale Rolle scheint in diesem unmenschlichen Karussel die exclusive Privatklinik „La Salvia“ in Triest zu spielen, auf deren Spur Laurenti durch zwei Tote kommt – einen identitätslosen Osteuropäer im Krankenhauskittel sowie dem kastrierten Chefarzt der Klinik. Parallel zum Commissario ermittelt hier undercover auch schon ein Journalist, dessen schwangere Lebensgefährtin nach einem Unfall auf Malta als „Strohleiche“, also ohne Organe, zurückgekehrt ist. Und aus Rumänien macht sich der Zwillingsbruder des toten Osteuropäers auf den Weg nach Triest, um seinen Bruder zu rächen.

Protektion und Korruption im Berlusconi-Italien
Veit Heinichen erzählt in „Tod auf der Warteliste“ aus verschiedenen Perspektiven und verknüpft eine Vielzahl von Handlungssträngen. Dabei treffen wir auch alte Bekannte aus Laurentis ersten Fällen wieder, so dessen tot geglaubten Intimfeind Victor Drakic oder die kroatische Staatsanwältin Ziva. Wie gewohnt bietet Heinichen viel Triester Lokalkolorit und zeigt mit kritisch-sarkastischen Seitenhieben, wie sich das politische Klima im Lande seit Berlusconis Wahlsieg verändert hat. In einer Atmosphäre aus Protektion und Korruption steht so auch plötzlich Laurentis Kariere auf der Kippe, weil dieser bei seinen Ermittlungen einflussreichen Leuten auf die Füße getreten ist. Doch nicht nur beruflich gerät der „sture, leidenschaftlich, impulsive und ungeduldige“ Ermittler mit seinen Marotten und unmoralischen Anwandlungen in schweres Fahrwasser – zu allem Überfluss beginnt auch noch kurz vor einem großen Familien- und Einweihungsfest seine Affäre langsam durchzusickern.

Doch zum Glück weiß seine Sekretärin Marietta Rat für alle Lebenslagen: „Es ist wie ein handgestrickter Pullover. Wenn Du erst einmal den richtigen Faden in der Hand hältst, dann gehen alle Maschen auf.“ Das dem tatsächlich so ist, stellt Veit Heinichen alias Proteo Laurenti in seinem dritten Fall eindrucksvoll unter Beweis.

Karsten Herrmann

Veit Heinichen: Tod auf der Warteliste. Zsolnay, 332 S., 19,90 Euro