Geschrieben am 16. Mai 2015 von für Bücher, Crimemag

Val McDermid: Eiszeit

Val_McDermid_EiszeitIn Bradfield nichts Neues

– Val McDermid ist bekanntlich eine sehr professionelle Autorin – das kann manchmal zu glatter Routine führen. „Eiszeit“ ist so ein etwas zu stromlinienförmiger Roman geworden – Anna Veronica Wutschel erklärt, warum …

In Bradfield treibt auch in „Eiszeit“, dem achten Roman um das Ermittlerteam Carol Jordan und Tony Hill, ein Serienmörder sein Unwesen. Gute Zeiten für seinesgleichen, denn die Polizei ist nicht nur wegen großer, schwerer Sparpakete ordentlich geschwächt. Das von Carol Jordan aufgebaute Spezialteam, das Major Incident Team, wurde aufgelöst, die Kooperation mit dem klinischen Psychologen und Profiler Tony Hill in bedenklich strittiger Manier beendet. Und Carol, die immer noch nicht den brutalen Mord an ihrem Bruder und dessen Lebensgefährtin verarbeitet hat, die sich und vor allem Tony an diesem Doppelmord die Schuld gibt, hat ihren Job gänzlich aufgegeben. Ganz wie der englische Originaltitel „Cross and Burn“ es besagt, hat sie alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abgebrochen. Frustriert, traumatisiert und voller Rage und unverarbeiteter Trauer trinkt sie und renoviert recht planlos das ehemalige Haus ihres Bruders. Oder besser formuliert, sie entkernt es, demoliert die Grundsubstanz der alten Scheune, so gut sie kann, lässt ihrem Schmerz freien Lauf. Und so sehr sie sich körperlich abarbeitet und ruiniert, so wenig heilsam scheint die Selbsttherapie. Da hat ihr neuer Nachbar eine bessere Idee und vermacht ihr einen Hund. Carol, die Frau, die bislang ihre Liebe vornehmlich bis ausschließlich ihren Katzen schenkte, ist zunächst skeptisch, lässt sich dann zögerlich auf das Tier ein, das als treue Seele noch zum Lebensretter werden soll.

Val McDermid (© Mimsy Moller)

Val McDermid (© Mimsy Moller)

In Bradfield hat derweil DCI Alex Fielding das Sagen übernommen. Genau, das ist die Alex Fielding, die der Fernsehzuschauer längst als Carols Nachfolgerin und Tonys Freundin kennt. Doch Val McDermid, die sich diese Figur aus den TV-Adaptionen geliehen hat, scheint ihr nicht wohlgesinnt, zeichnet sich Fielding doch vornehmlich durch Härte, Inkompetenz und Profilierungssucht aus. Und Tony? Er leidet kläglich unter dem Bruch mit Carol, die ihn gänzlich aus ihrem Leben gestrichen hat. Er arbeitet wieder im Krankenhaus, sein Supervisor rät zur Lyrik. Lediglich Paula McIntyre aus Carols altem Team, die nun unter Fieldings Führung arbeitet, fungiert als Verbindungsglied zu der alten Truppe. Erneut, auch wenn das schon einmal zu großem Ärgernis führte, versucht sie Tonys Expertise heimlich in die offiziellen polizeilichen Untersuchungen einzuschmuggeln und aktiviert am Ende Carols Ehrgeiz, damit die Ermittlung nicht völlig aus dem Ruder läuft. Schließlich entführt ein Irrer in immer kürzeren Abständen Frauen, die – alle dunkelblond, alle Mitte bis Ende dreißig – Carol Jordan erstaunlich ähneln. Ist hier ein Mörder am Werk, der eigentlich Carol im Visier hat? Könnte sein, und da einige Indizien wie aus heiterem Himmel gegen Tony Hill sprechen, steckt ihn DCI Fielding umgehend in den Kerker. Was für ein Coup! Den ehemaligen Star-Profiler hinter Gitter zu setzen. Die sensationslüsterne Presse überschlägt sich.

Diese – so nacherzählte Story – kommt nicht unbedingt glaubwürdig daher. Und wird auch nicht glaubwürdiger, wenn man sie direkt aus Val McDermids eigener Feder liest. Wie immer ist das alles routiniert erzählt, was die Polizeiarbeit betrifft, hervorragend recherchiert. Viele kleine Puzzleteilchen werden wie gewohnt clever zusammengelegt, zeichnen jedoch letztlich trotz aller tief greifenden und emotionalen Veränderungen immer wieder das eine, gleiche Bild von Bradfield. Immer viel los da, bloß leider nix Neues!

Anna Veronica Wutschel

Val McDermid: Eiszeit (Cross and Burn, 2013). Roman. München: Knaur. 512 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Val McDermids Homepage. Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier.

Tags : ,