Im ewigen Kreislauf des Kapitals
Ulrich Peltzer gehört zu jenen avancierten deutschen Autoren, welche unserer komplexen Hochgeschwindigkeitsgegenwart mit ihren mannigfachen Verwerfungen an Orten wie in Berlin („Teil der Lösung“) oder New York („Bryant Park“) nachspüren und literarisch zu durchdringen versuchen. In „Das bessere Leben“ widmet er sich dem Raubtierkapitalismus, der an keine Orte mehr gebunden ist, sondern sich in globalen Netzwerken austobt.
Eine der Hauptrollen in einem größeren und nur locker verbundenen Figurenensemble besetzt in diesem Roman der bisher sehr erfolgreiche, nun jedoch kurz vor dem Absturz stehende Sales-Manager Jochen Brockmann: „Zwei Fehler, und du bist Geschichte, so lautet das Gesetz, causa finita“. Er bringt sein Schäfchen in der Schweiz ins Trockene und beginnt seine erlesene Sammlung aus Grafiken von Hockney, Beyus und Baldessari zu taxieren. Dann lernt der von seiner Familie getrennt lebende Handlungsreisende in Amsterdam die Reederei-Managerin Angelika Volkhart kennen und es scheinen sich neue Lebensperspektiven zu öffnen.
Eine andere Hauptolle nimmt der skrupellose Investor und Risikoberater Sylvester Le Flemming ein. Er ist im Graubereich des Marktes unterwegs und ebnet weltweit großen Firmen Wege durch Bestechung, Erpressung, Intrigen und Komplotte. Wie Jochen Brockmann auch, ist er in der Zeit der Drogenerfahrungen und Studentenproteste gegen den Vietnam- und Koreakrieg groß geworden und musste mit ansehen, wie seine Freundin Allison 1970 auf dem Campus der Kent State University vom Militär erschossen wurde.
Ulrich Peltzer führt uns mit seinen Roman zum einen in die Welt des Risikokapital, der Hedgefonds, Private Equity und Übernahmen ein, in ein „Leben im Schnelldurchlauf“, dass sich in den Metropolen dieser Welt in Sheratons und Marriotts abspielt. Er verschränkt dieses Leben in der Gegenwart dabei aufs Engste mit einer Vergangenheit, in der die großen sozialen Utopien noch Strahlkraft hatten und der Fortschrittsglaube blühte. Im 21. Jahrhundert scheint die Geschichte jedoch an ihr Ende gekommen zu sein und vom ewigen Kreislauf des Kapitals abgelöst zu sein: „In der Wirklichkeit gibt es keinen Konjunktiv als Rettung, nur in der Kunst“.
Ulrich Peltzer ist kein Mann für das Holzschnittartige und einfache „Gut“-„Böse“-Schemata, sondern entwickelt in seinen Romanen äußerst differenzierte und oszillierende Charaktere, verbindet die Mikroebene der Gefühlswelt mit der Makroebene der Ökonomie. In Anklang an Rolf Dieter Brinkmann Frage „Wer ist der Direktor dieser sogenannten Wirklichkeit?“ versucht er in ambitionierter literarischer Komposition die sich aus einem Strom unzähliger Erinnerungen, Ereignisse und Verbindungen formende Gegenwart durchschaubarer zu machen – ohne dabei Verschwörungstheorien und Paranoia Vorschub zu leisten. Letztlich sucht man in Peltzers Roman(en) aber auch vergeblich nach einer Orientierung, Wertung oder Sinngebung. Einzige Erkenntnis: Die Welt ist so wie sie ist und das Leben in ihr „so wahr, so falsch wie die Summe aller Einzelheiten, die man auflisten könnte.“
Karsten Herrmann
Ulrich Peltzer: Das bessere Leben. S. Fischer, 2015. 446 Seiten. 22,90 Euro.