Geschrieben am 29. Mai 2013 von für Bücher, Litmag

Tom Folsom: Dennis Hopper. Die Biografie

Tim Folsom_ Dennis HopperGenie irgendwie

– Tom Folsom porträtiert in seiner Biografie einen Schauspieler, dessen Ziel es anscheinend war, vom Enfant terrible direkt zum „grumpy old man“ zu werden. Dennis Hopper hielt den Widerstand gegen den Mainstream wohl wesentlich länger als alle anderen Hippies durch, dennoch musste auch er am Ende kleinbeigeben. Und so stellt sich die Frage, welche Karriere der Mann aus Dodge City gemacht hätte, wenn seine Kapitulation früher erfolgt wäre. Von Andreas Pittler

Mit gedruckten Biografien ist das ja heutzutage so eine Sache. In Zeiten, da ein Buch schon vor seinem Erscheinen veraltet ist, da im Netz zwischen Lektorat und Auslieferung zig neue Informationen zutage treten, sieht ein Werk mitunter noch vor seiner Geburt recht alt aus. Als Autor muss man daher schon etwas Besonderes bieten, wenn man vermeiden will, dass die Leser den Kauf des jeweiligen Buches schon nach den ersten Seiten bereuen. Im vorliegenden Fall freilich lässt sich sagen: hier ist jedwede Reue unangebracht.

Folsom hat seinen Hopper studiert. Wie ein Method-Actor. Er schreibt nicht über Dennis Hopper, er IST Dennis Hopper. Identifiziert sich dermaßen mit dem Gegenstand seiner Darstellung, dass man als Leser in jeder Zeile das Gefühl hat, die ganze Geschichte von Hopper selbst erzählt zu bekommen – und nicht durch Druckerschwärze auf Papier, sondern im Rahmen eines Happenings, wo man „Den“ gegenüber sitzt und ihm in die Augen schaut, während er, wüst mit den Händen fuchtelnd und wild grimassierend, berichtet, „wie es wirklich war“. Und es spricht für Folsom, dass er gleichzeitig Belege nachreicht, wenn Hoppers Darstellung, nun, sagen wir, nicht ganz der Wirklichkeit entsprach.

Dennis Hopper hatte, so viel kann gesagt werden, einen nachgerade perfekten Start. Durch seine Bekanntschaft mit Dorothy McGuire kam er genau zum richtigen Zeitpunkt nach Hollywood, um sich dort als „junger Wilder“ neben Ikonen wie James Dean oder Marlon Brando zu profilieren. Er freundete sich rasch mit Dean an, mit dem er die Leidenschaft für schnelle Autos und schwere Motorräder teilte, und so konnte Hopper gleich bei „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Giganten“ seine Visitenkarte als Schauspieler abgeben. Hopper hatte sich also nicht mühsam nach oben dienen müssen, er stieg gleich in die erste Liga der Filmbranche ein, lieferte sich Wettrennen mit Dean und exzessive Partys mit Natalie Wood. Doch nur kurze Zeit später war Dean tot und die Liaison mit Wood Geschichte. Hopper spielte in bedeutungslosen B-Western mit, zutiefst von drei Dingen überzeugt: sich selbst, seinem Talent und davon, dass sein endgültiger Durchbruch nur noch ein ganz klein wenig entfernt war.

Tatsächlich machte er sich einen Namen als solider Nebendarsteller, aber eben auch einen als schwieriger Charakter, sturer Hund und unkontrollierbarer Hedonist. Kein Geringerer als John Wayne meinte, sich des Enfant terrible annehmen und es vor Drogenmissbrauch warnen zu müssen. „Lass die Finger von diesem Teufelskraut, Junge“, schnarrte der „Duke“, während Clint Eastwood, mit dem Hopper wenig später „Hängt ihn höher“ drehte, wohl gar nichts sagte.

Hopper war dies wahrscheinlich einerlei. Mit Peter Fonda und Terry Southern hatte er eine Idee geboren, die Filmgeschichte schreiben sollte. „Easy Rider“ gilt heute noch als der ultimative Kultfilm, der zudem noch kommerziell überaus erfolgreich war und bei Produktionskosten von 340.000 Dollar sage und schreibe 40 Millionen einspielte. Selbst weniger ekstatische Künstler hätten an dieser Stelle wohl geglaubt, es unwiderruflich geschafft zu haben. Tatsächlich erhielt Hopper eine Oscar-Nominierung und brüskierte die altbackene Gesellschaft dort mit einem mehr als unorthodoxen Auftritt, für den Henry Fonda allen Ernstes die Prügelstrafe einforderte.

Doch der größte Erfolg seiner Laufbahn erwies sich (beinahe) auch schon als sein letzter. Nicht nur, dass Hopper sich mit seinen Freunden überwarf, weil sie allesamt unterschiedliche Auffassungen über ihren Anteil an „Easy Rider“ hatten – und es spricht einiges dafür, dass Hoppers Sicht der Dinge nicht die korrekteste war –, er setzte auch sein nächstes Projekt, „The last Movie“, so glorios in den Sand, dass er für viele Jahre eine Persona non grata in Hollywood sein sollte.

Bis Mitte der 80er-Jahre blieb Hopper eine ephemere Erscheinung, spielte mal hier, mal da ein bisschen mit, lieferte aber primär durch Drogenexzesse, Scheidungen und Hooliganismus Schlagzeilen. Erst mit seiner Regiearbeit zu „Colors“ (mit Sean Penn) und seiner Darstellung des Bösewichts in „Speed“ rief er sich wieder als Filmstar in Erinnerung, wenngleich seine weitere Karriere erneut von weit mehr „downs“ als „ups“ gekennzeichnet war. Und als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, zerstörte Hopper am Ende seines Lebens auch noch seinen eigenen Mythos als unangepasster Rebell, indem er sich 2004 als Fan von George W. Bush outete. Spätestens damals wandte sich alles von ihm ab, was ihm bis dahin noch die Treue gehalten hatte, abgesehen von jenen, die auf sein Erbe schielten, nachdem offenkundig geworden war, dass Hopper unheilbar an Krebs erkrankt war. So gesehen hätte wohl der Titel des letzten Films mit ihm in der Hauptrolle „Die drei kleinen Schweinchen auf der Jagd nach den Scheinchen“ lauten können, und es wäre genauso ein B-Movie geworden wie rund 90 Prozent der Streifen, in denen Hopper im Laufe von mehr als einem halben Jahrhundert im Filmbusiness mitgewirkt hatte.

Was Hopper allerdings aus der Masse der Akteure Hollywoods heraushob, war sein unbestreitbares künstlerisches Talent. Nicht nur, dass er eigentlich ein ziemlich guter Maler war, auch seine Fotografien erwiesen sich als echte Kunstwerke – Jack Nicholson nannte ihn nicht ohne Grund ein Genie. Und wie viele Genies hatte Hopper offenkundig auch einen ziemlich starken Drang zur Selbstzerstörung. Wenigstens in diesem Punkt war er am Ende erfolgreich.

Was Folsoms Arbeit über die Vielzahl einschlägiger Publikationen heraushebt, ist die Tatsache, dass er genau dort tiefer gräbt, wo es andere Biografen vielleicht bei einer oberflächlichen Betrachtung bewenden hätten lassen. Er gibt sich nicht mit Hoppers eigener Sicht der Dinge zufrieden und traut auch nicht vorschnell publizierten Mythen. Er weiß, dass er sich auf tückischem Terrain befindet und widersteht der Versuchung, statt der Wahrheit die attraktivere Legende zu drucken. Und wenn der Biografie auch deutlich anzusehen ist, dass sie mit viel Sympathie für ihr Objekt geschrieben wurde, so bemüht sich Folsom dennoch um größtmögliche Objektivität, dabei auch den Mut zur Lücke nicht scheuend. Das macht die Lektüre dieses Buches ebenso angenehm wie anregend. Eine echte Empfehlung mithin.

Andreas Pittler

Tom Folsom: Dennis Hopper. Die Biografie (Hooper: A Journey into the American Dream, 2013). München: Blessing 2013. 415 Seiten, 22.99 Euro.

Einen Nachruf auf Dennis Hopper von Matthias Penzel finden Sie hier.

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