Geschrieben am 25. August 2012 von für Bücher, Crimemag

Thomas Hesse/Renate Wirth: Eulenblues

Der berühmte „regionale Bezug“ gilt nicht nur für Autoren, sondern auch für Kritiker. Nicht blöd, wenn man in einem Krimi plausibel nachlesen kann, wohin es einen verschlagen hat. Eva Karnofsky ist an den Niederrhein gezogen – voilà:

So ein Umzug …

… hat allerhand für sich. Nicht zuletzt eröffnet er neue kulturelle Horizonte. In meinem Fall hieß das: Tschöö, Eifelkrimi und Ermittler aus Köln/Bonn und nix wie rein ins niederrheinische Krimi-Vergnügen. „Wat, du kenns Hessewirt nich? Geht gaa nich. Musse lesn, wenne hier wohns“, sagte die Nachbarin und reichte dann auch gleich ein leicht angegilbtes Buch über die Hecke. „Das Dorf“, hieß das Werk von 2005 und hinter Hessewirt verbarg sich das Autorenduo Thomas Hesse und Renate Wirth. Den neuen Fall der beiden, „Eulenblues“ lautet der Titel, könne sie leider noch nicht entbehren, da warteten erst mal ihre Freundinnen drauf.

Hesse und Wirth, das habe ich schnell gelernt, sind so etwas wie das Herzstück der Kulturlandschaft von Wesel und Umgebung. Ihre Krimis liegen in den Buchhandlungen aus, jeder kennt die beiden, und auch in Hamminkeln, wo ich jetzt der Literaturkritik fröne, waren sie die ersten, die in der neuen Stadtbücherei zwecks Lesung auftraten.


Links und rechts des Rheins

Thomas Hesse kennt sich im Rechtsrheinischen rund um Wesel bestens aus, denn er ist dort Lokalchef einer der beiden Tageszeitungen. Und Renate Wirth, Xantenerin und Sozialpädagogin von Beruf, bringt profunde Kenntnisse der linken Rheinseite mit. Wirth ist damit für das Privatleben von Hauptkommissarin Karin Krafft zuständig, denn die lebt und liebt (einen holländischen Archäologen, der nach Relikten der alten Römer buddelt) in Xanten. Die Arbeit aber führt Krafft jeden Tag über die Rheinbrücke in Thomas Hesses Revier, in ihre Dienststelle an der Reeser Landstraße in Wesel. Und ihre Fälle führen die Kommissarin durch den gesamten Kreis.

An „Das Dorf“ gefiel mir vor allem, mit welcher Liebe zum Detail die Autoren die Human-Fauna des Örtchens Bislich-Büschken gezeichnet haben, von denen einer mit einer rätselhaften Waffe erschlagen wurde. Man gärtnert um die Wette, um den Preis für das schönste Dorf zu ergattern und nach außen gibt man sich einig, doch unter der Decke, da brodelt es. Kleines Dorf – große Hölle, sagt man in Spanien, und das trifft auch für Bislich-Büschken zu. Vom schlagenden Ehemann über den Steuerhinterzieher bis zum Dorf-Stinkstiefel ist dort alles anzutreffen. Leicht machen es die drögen Niederrheiner der Kommissarin wahrhaftig nicht bei ihren Ermittlungen. Außerdem muss sie sich noch mit einer Behördenchefin rumschlagen, der es vor allem darum geht, bei der Landesregierung in Düsseldorf Eindruck zu schinden. Und Burmeester, ihr jüngster Mitarbeiter, ermittelt gern am Team vorbei auf eigene Faust.

Zufall

Insgesamt haben Hesse/Wirth ihre Karin Krafft inzwischen sieben Fälle lösen lassen, und der letzte ist zweifellos besonders kniffelig. Der Neuzugang des Kommissariats, Gero von Aha, genannt die Eule, findet im Forstgebiet Weselerwald ein Skelett – es hängt in einem Baum. Und die Kommissarin entdeckt in einer Skulptur eines lokalen Künstlers ein paar menschliche Handknochen. Vielleicht ein bisschen viel des Zufalls, doch schließlich schreibt das Autorenduo immer mit einem Augenzwinkern, da darf dann auch mal ein klein wenig dick aufgetragen werden. Und was dann kommt, ist stimmig. Es bleibt nicht bei einem Toten, und die Ermittlungen führen Karin Krafft sogar bis nach Holland – wovon natürlich die Behördenchefin nichts wissen darf. Der Schlüssel für die Verbrechen liegt in der Vergangenheit. Ein altes Klassenfoto und ein junger Psychologe bringen das Team schließlich auf die richtige Spur.

Mag sein, dass Hesse/Wirt‘ Bücher besonders reizvoll sind, wenn man in Wesel aufgewachsen und nach vielen Jahren in die Gegend zurückgekehrt ist. Doch ihre kantigen niederrheinischen Figuren mit ihren Schrullen dürften auch dem kritischen Blick von Bayern oder Berlinern (sowie deren weiblichen Pendants) standhalten. Und spannende Plots zu erfinden weiß das Duo vom Niederrhein allemal.

Eva Karnofsky

Thomas Hesse/Renate Wirth: Eulenblues. Niederrhein-Krimi. Köln: Emons Verlag 2012. 269 Seiten. 10,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Eva Karnofsky.

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