Geschrieben am 13. März 2004 von für Bücher, Litmag

Tanja Schwarz: Der nächtliche Skater

Vielversprechende Neuentdeckung

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte eine Autorin um die Dreißig keine Chance erhalten, mit einem Erzählband zu debütieren. Zunächst musste ein Roman her, in dessen Kielwasser sich auch Kurzprosa vermarkten ließ.Doch Kurzprosa hat in den letzten Jahren enorm an Renommee und Ansehen bei Lesern und Kritikern gewonnen – nicht zuletzt dank der Wiederentdeckung Raymond Carvers oder (im deutschsprachigen Raum) der Neuentdeckung Judith Hermann.

Eine dieser zu entdeckenden Stimmen ist auch die von Tanja Schwarz. Nach dem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig hat es die 31-Jährige nach (na?) Berlin verschlagen. Doch Gott sei dank wird hier nicht ein weiteres Mal die ach so tolle Großstadt Berlin mit ihrer ach so coolen Szene besungen. Die Geschichten von Tanja Schwarz handeln von ganz normalen… – nein, das tun sie auch nicht. Manche Geschichten scheinen auf den ersten Blick vielleicht alltäglich, doch sie offenbaren auf den zweiten Blick eine beeindruckende Doppelbödigkeit.

„Tina Rabes Abendmahl“ zum Beispiel ist ein Meisterwerk der leisen ironischen Töne, gleich zu Beginn des Buches. Tina, das Kind einer allein erziehenden Mutter geht in die 8d des Johannes-Kalbfell-Gymnasiums. Hier ist sie unter Kindern aus Pfarrers- und ähnlich wohlbehüteten Familien eine Einzelgängerin ohne Streichinstrument und Markenklamotten. Tanja Schwarzes Schilderung der Schulhofszenen verarbeitet natürlich Klischees, aber das in einer ungemein sympathischen und witzigen Weise.

„Bellas Spiele“ strotzt vor Erotik, „Glorias Tierschau“ und „Michelle Matussek“ führen in die Tiefen der Rassekatzenschauen.

Tanja Schwarz schreibt über lesbische Liebesbeziehungen, ohne Frauenbuchladenliteratur zu produzieren – und wer Sätze schreibt wie „Sie weiß das ganz genau, Schlachtschiff mit faulenden Planken, Kurs auf schnittige junge Yachten, die behende beidrehen, wenn die alte Fregatte auf sie zuhält. Eine klimakterische Welle schwappt ihrem Bug einen Meter voraus und treibt den schillernden Schwarm in die Flucht“ – der hat meine Sympathien gewonnen.
Frank Schorneck