Geschrieben am 30. März 2011 von für Bücher, Litmag

Sven Regener: Meine Jahre mit Hamburg-Heiner

Aus dem Leben und Treiben eines wahren Pop-Poeten

– „Auf keinen“, befindet die Kunstfigur „Sven“. „Auf jeden“, fordert sein Widerpart „HH“. Oder auch umgekehrt. Doch „die Welt ist alles, was der Fall ist“, heißt es bei dem Philosoph Ludwig Wittgenstein, und der reist insgeheim mit. Frank Göhre hat Sven Regeners Logbuch „Meine Jahre mit Hamburg-Heiner“ gelesen.

So geht es von Berlin aus auf Tour – als Texter, Sänger, Gitarrist und  Trompeter der Band „Element of Crime“ und Bestseller-Autor der „Lehmann“-Trilogie, Hamburg-Heiner, lies und sprich „HH“, zumeist nervend am Telefon, und Wittgenstein sozusagen im Gepäck. Denn was dem aus Bremen stammenden Multitalent Sven Regener für seine Protagonisten „Sven“ und „HH“ auf der Folie seiner selbst so alles bemerkens- und mitteilungswert erscheint, hat viel mit Wittgensteins Sicht auf die Dinge zu tun.

Es sind die simplen Wahrheiten, die kaum jemand mehr ausspricht und genau „darüber sollte man mal in Ruhe nachdenken“, merkt „Sven“ an. Wie nämlich Münster in Westfalen als Hochburg der Fahrradfahrer und zugleich als Stadt mit den meisten Niederschlägen – Regen, Regen, Regen – zusammenpassen. Oder schön singen das eine ist, schlau reden aber was ganz anderes. Und auf die Kotztüte einer Fluggesellschaft gedruckt ist: „Danke für Ihre Kritik“ – einfach mal darüber nachdenken!

In den jetzt gebündelten Blog-Texten (die in den letzten fünf Jahren für verschiedene Online-Plattformen geschrieben wurden) des durch die bundesdeutsche Republik reisenden Autors und seinem Abstecher nach Nashville geht es sowohl um die Banalität wie auch um die Freuden des Alltags, wobei Letzteres allerdings von „HH“ gleich wieder gedämpft wird. Eines Alltags, der im Musikbusiness und Kulturbetrieb verhaftet ist. „Sven“ schreibt über die diversen Gigs seiner Band und liefert dabei zugleich grandiose Versuche über einige Städte: „Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland und darüber hinaus aber für das Land von keiner großen Bedeutung.“ – Die Hamburger „Erwerbsbevölkerung arbeitet zu einem Drittel in der Werbung und zu einem Drittel in der Aalsuppenproduktion, der Rest singt in Shanty-Chören“ – was zwangsläufig zu der einzigen inhaltlichen Aussage der Ina Müller TV-Sendung aus dem „Schellfischposten“ führt: „Heute ham wir viel gelacht, denn wir sind bei Inas Nacht, Hahahahaha!“

Sven Regeners große Kunst besteht darin, die Absurditäten und auch die Dämlichkeiten des Medienbetriebs lediglich lapidar zu benennen und keinesfalls zu bewerten. Er ist ein freundlicher Mensch, der andere „Kulturschaffende“ nie vehement oder gar niedermachend kritisieren würde. Das zeigt beispielhaft der für „spiegel.de“ geschriebene Buchmesse-Blog, in dem dann auch zu lesen ist, dass „Sven“ in den gesamten vier Tagen nicht ein einziges Mal Roger Willemsen in den Gängen oder an einem der Stände begegnet sein will – eigentlich schier unmöglich und von daher vielleicht doch eine kleine Spitze auf das allgegenwärtige Plaudermäulchen.

Aber wie dem auch sei – „Meine Jahre mit Hamburg-Heiner“ sind durchweg wunderbar ironische Berichte über das Leben und Treiben eines wahren Pop-Poeten.

Frank Göhre

Sven Regener: Meine Jahre mit Hamburg-Heiner. Logbücher. Berlin, Galiani Verlag 2011. 420 Seiten. 19,95 Euro.