Geschrieben am 11. Dezember 2013 von für Bücher, Litmag

Sue Donaldson/Will Kymlicka: Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte

Donalkson_Kymlicka_ZoopolisGrundrechte für Tiere?!

Die Literary Review of Canada nennt es „das wichtigste Buch über die Mensch-Tier-Beziehung seit Singers ‚Animal Liberation’“, und wer einmal einen tieferen Bick in „Zoopolis“ geworfen hat, der wird diesem Urteil nur zustimmen können. Der Titel allein sagt schon viel über den Inhalt: Tatsächlich ist „Zoopolis“ der Versuch, die Tierrechtsbewegung auf neue, staatsbürgerschaftliche Füße zu stellen. Ganz konkret vertreten die Autoren die These, dass die Praxis der Staatsbürgerschaft auch auf Tiere angewandt werden und so zu einem ebenso transparenten und einheitlichen wie ethisch akzeptierbaren Umgang mit ihnen führen kann. Von Tina Manske

Im Moment liegt in Bezug auf diesen Umgang einiges im argen: Man muss nicht die Bücher von Karen Duve („Anständig essen“) oder Jonathan Safran Foer („Tiere essen“) gelesen haben (obwohl das weiterhin jedem dringlichst empfohlen sei!), um zu wissen, dass wir in unserem Gesellschaftssystem, das ach so zivilisiert scheint, täglich die Misshandlung von Tieren und die komplette Missachtung ihrer Bedürfnisse dulden, um unsere eigenen Bedürfnisse möglichst günstig befriedigt zu bekommen – Massentierhaltung und Tierversuche sind die allgegenwärtigen Beispiele.

Die Autoren Will Kymlicka (Professor für Politische Philosophie an der Queen’s University in Kingston, Kanada, bekannt für seine Arbeiten zum Multikulturalismus) und seine Frau Sue Donaldson (kanadische Schriftstellerin und Veganerin), setzen allerdings als ersten Schritt voraus, dass der Leser Tieren unverletzliche Grundrechte zuspricht  – wer nach wie vor denkt, ein Mensch sei von vorneherein einfach mehr wert als ein Affe, braucht das Buch gar nicht erst in die Hand zu nehmen. Alle anderen aber bekommen hier eine faszinierende Theorie präsentiert, die es – so wollen wir hoffen – irgendwann in der Zukunft auch auf die politische Agenda schaffen wird. Oder wie ein User neulich als Kommentar unter eine PETA-Video schrieb, das die grausame Misshandlung von Schweinen zeigt: „it will happen that this will be called murder.“

Faszinierende Theorie

Tiere wollen schmerzfrei und gut leben, wie wir auch. Es kommt nicht darauf an, ob sie genauso viel Grips haben wie wir oder ebenso produktiv sind – solche Einschränkungen gelten auch für so manche Menschengruppen, und trotzdem gibt uns das nicht das Recht, sie zu misshandeln und zu töten. (Interessant hier wie an manch anderer Stelle, dass die Betrachtung der Tierrechte auch ein deutliches Licht auf menschliche Minderheiten und deren Stellung in unserer Gesellschaft wirft.) Über die unverletzlichen Grundrechte hinaus plädieren die Autoren dafür, den Tieren einen je gruppenspezifischen politischen Status – Bürgerrechte – zuzusprechen. Domestizierte Tiere erhalten danach volle Staatsbürgerschaft, Gemeinschaften von Wildtieren erhalten Souveränität, und als Einwohner gelten solche Tiere, die undomestiziert in unmittelbarer Nachbarschaft zu uns leben.

Staatsbürgerschaft setzt Rechte und Pflichten voraus, für alle an der Polis beteiligten. Es ist überaus reizvoll und faszinierend, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der die hier beschriebenen Ansatzpunkte verwirklicht werden. Allein durch die Vorstellung wird bewusst, an wie vielen Stellen wir heute Tiere, domestiziert oder wild, unsichtbar machen und verdrängen – von ihren Bedürfnissen ganz zu schweigen.

Mit den Autoren tritt ein ungleiches, aber sich perfekt ergänzendes Duo auf den Plan. Gemeinsam sorgt man dafür, dass das Buch niemals zu einer staubtrockenen wissenschaftlichen Abhandlung wird, sondern mit viel Wissen und Theorie, aber auch mit viel Praxis, Gefühl und sogar Humor aufwartet.

Tina Manske

Sue Donaldson/Will Kymlicka: Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte. Suhrkamp 2013. Gebunden, 608 S. 36,00 Euro.

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