Geschrieben am 2. Mai 2009 von für Bücher, Crimemag

Stella Rimington: Beutezug

Beutezug oder ein Fall von vornehmer Blässe

Stella Rimington, die mit Beutezug ihren dritten Spionagethriller vorlegt, könnte man als jüngstes Mitglied im Club der „Schriftstellerspione“ bezeichnen. Berühmte Vorgänger sind u.a. John le Carré und Graham Greene, die beide für den britischen Geheimdienst tätig waren und deren Erfahrungen mit der Welt der Dienste – besonders bei le Carré – in literarische Werke von Weltrang einflossen. Da kommt Frau Rimington dann doch noch lange nicht mit – SUSANNA MENDE hat ihr aber eine Chance gegeben.

Schon die Tatsache, dass Stella Rimington jahrelang Chefin des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 (Military Intelligence, Section 5) war, weckt bei Fans von Spionageliteratur große Neugier und – aus Erfahrung – eine positive Erwartungshaltung, was die Qualität dieser Arbeit angeht. Na gut, es ist nicht mehr der Auslandsgeheimdienst, und der Kalte Krieg ist auch vorbei, aber was da im Klappentext angekündigt wird, klingt spannend und brandaktuell: Russische Oligarchen in London und deren Verstrickungen mit der alten Heimat. Oh ja, wir denken natürlich sofort an Alexander Litvinenko, ehemaliger KGB-Agent und Putin-Kritiker, der einem perfiden Anschlag in London zum Opfer fiel.

Wie wir aus Rimingtons Roman erfahren, hat der russische Geheimdienst derzeit angeblich mehr Mitarbeiter in London als während des Kalten Krieges. Natürlich geht es dabei nicht mehr um das Ausspionieren der Einsatzbereitschaft britischer Truppen in Deutschland oder die Ansichten britischer Politiker. Es geht um Themen wie Wirtschaftsspionage und London als globales Finanzzentrum, ein idealer Horchposten also in alle Herren Länder. Dem MI5 wird hierbei auf einmal ein Fingerspitzengefühl abverlangt, das Russland als Verbündetem im Kampf gegen den Terror gerecht werden soll. Die Haudegen aus dem Kalten Krieg, die noch nicht pensioniert sind, können also nur noch mit zusammengebissenen Zähnen ihren Dienst tun. Und ihre Organisation ist auf einmal sogar dafür zuständig, in England ansässige russische Oligarchen zu schützen, wenn deren Leib und Leben Gefahr aus der Heimat droht.

Ach ja …

In einem solchen Fall wird in Beutezug der MI5 tätig: Nachdem es Anhaltspunkte gibt, dass Nikita Brunovsky, schwerreicher Oligarch und Kreml-Kritiker, Opfer eines Anschlags werden könnte, stellt der MI5 seine Mitarbeiterin Liz Carlyle ab, die sich getarnt als Kunstgeschichtsstudentin in Brunovskys Luxusvilla aufhält und während ihrer heimlichen Ermittlungen Einblicke in das Leben eines von Dienstboten, Speichelleckern und Trittbrettfahrern umgebenen Milliardärs bekommt. Fehler bei der Einschätzung der Lage in der Zentrale und Liz’ Weisungsgebundenheit bringen sie in Lebensgefahr.

So spannend das auch klingen mag und so überraschend der Showdown in einem heruntergekommen Landhaus in Irland, wo sich die Mitspieler der Intrige samt eigentliche Zielperson schließlich versammeln, auch ist, so ist der gesamte Plot doch zu durchsichtig und simpel strukturiert, als dass man als Leser daran wirklich Freude haben könnte.

Dazu trägt außerdem das durch die Bank blasse und klischeehafte Personal bei, das den Roman bevölkert, von der zickigen russischen Sekretärin über die junge, hübsche Freundin des Oligarchen, die sich als Emporschläferin aus einfachsten Verhältnissen entpuppt, bis zum italienischen Hochstapler und Betrüger in teuren Anzügen. Auch die Heldin Liz Carlyle besitzt so gar keine Ecken und Kanten, und wenn im Dienst auch Gelassenheit und Souveränität gefragt sein mögen, so kann man hauptsächlich mit diesen Eigenschaften keine komplexe Romanfigur erschaffen. Vielleicht ist es ja die „déformation professionelle“, der Kult der äußerlichen Gelassenheit, die die ehemalige Geheimdienstchefin nicht mehr losgeworden ist und versehentlich als Stilmittel zur Charakterisierung der Figuren in ihre Romane einfließen lässt – oder einfach ein Mangel an Talent für die literarische Sichtbarmachung von Komplexitäten. Sicher ist nur eins: Insiderwissen macht noch keine gute Schriftstellerin, und das gilt nicht nur für Geheimdienste.

Susanna Mende

Stella Rimington: Beutezug (Illegal Action, 2007) Roman.
Aus dem Englischen von Uschi Pilz.
München: Diana Verlag 2009. 383 Seiten. 8,95 Euro.