Geschrieben am 29. Mai 2004 von für Bücher, Litmag

Rujana Jeger: Darkroom

Ein Leben in Splittern

Rujana Jeger seziert das traurige Lebensgefühl einer von Krieg und Umbrüchen geschüttelten „Generation X“ auf poetische und obszöne Weise.

„… Das Leben ist wie ein Darkroom, sagt Kristijan. Du weißt nie, wer dich wie fickt und wen du wie fickst. Aber es ist zu aufregend, als dass du einfach so rausgehen könntest.“

Auf der Folie des zerfallenen und vom Krebsgeschwür des Krieges durchzogenen Jugoslawiens setzt die 1968 in Zagreb geborene und heute in Wien lebende Rujana Jeger ein (ihr?) Leben aus kleinen Splittern, Szenen und Fragmenten zusammen. Die Beziehungen und Bewegungen der Erzählerin Morana sind dabei ebenso verworren und vielfältig wie die politischen und ethnischen Verhältnisse in ihrer ehemaligen Heimat. Nur langsam lassen sich die Linien und Verwerfungen rekonstruieren Zur Welt kam Morana als Tochter zweier echter Balkan-Hippies. Früh verabschiedete sich der Vater nach Amerika, von wo aus er knappe, coole Briefe und E-Mails in die Gegenwart sendet. Blitzlichtartig ziehen sich Erinnerungen an Kindheit und Jugend durch die Seiten, und wie ein Fixstern wird Morana von ihrem alten Freund, dem homosexuellen Abenteurer Kristijan, begleitet.

Authentisches Lebensgefühl

Zeit und Raum wirbeln im „Darkroom“ durcheinander und in einem Gemisch aus Krieg, Sex, Liebe, Aids, Tradition, Drogen und Alkohol prallen die Gegensätze ungebremst aufeinander: „Jasmina schnupfte Kokain. Jasmina schnupfte Heroin. Sie kiffte und soff. Ließ sich nackt fotografieren. Aber sie ging jeden Sonntag zur Beichte.“

Rujana Jeger erzählt zugleich lakonisch, poetisch und obszön. Ihr gelingt es, das Lebensgefühl einer traumatisierten jugoslawischen „Generation X“ authentisch zu beschreiben: traurig und trotzig, orientierungs-, aber nicht hoffnungslos.

Karsten Herrmann

Rujana Jeger: Darkroom. Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. C.H. Beck 2004. 153 Seiten. 17,90 Euro.