Geschrieben am 5. November 2009 von für Bücher, Litmag

Ronald M. Schernikau: Königin im Dreck

Ronald M. Schernikau: Königin im DreckZugriff auf die Welt

Am 1. September 1989, wenige Wochen vor dem Sturz der Mauer, übersiedelte Ronald M. Schernikau aus der BRD in die DDR und wurde deren Staatsbürger; nicht nur deswegen wird er der „letzte Kommunist“ genannt, wie auch das in diesem Frühjahr erschienene Buch heißt, das sein langjähriger Begleiter Matthias Frings über ihn schrieb. Von Tina Manske

Andere hielten ihn gar für den „letzten normalen Mensch“. In der West-Berliner Bohème war Schernikau da schon eine schillernd bekannte Persönlichkeit, nicht nur in der schwulen Subkultur. Am 20. Oktober 1991 starb er an AIDS.

Doch Schernikau war viel mehr als die Tucke vom Dienst. Dass er einer der kläglich unterschätztesten großen Autoren dieses Landes ist, davon kann man sich selbst überzeugen. „Königin im Dreck“ versammelt zum ersten Mal Texte Schernikaus aus Zeitungen, Anthologien und Journalen. Dabei werden Themen verhandelt wie der Weg des Brötchens im Sozialismus, Ficken in Zeiten von AIDS, Schlager in der DDR oder Fragen wie: „Was macht ein revolutionärer Künstler ohne Revolution?“ Schernikau zu lesen heißt immer, gefordert zu sein und Sätze zu lesen, die man so nirgendwo liest, nicht in dieser Mischung aus Naivität (die hier keineswegs mit Blauäugigkeit verwechselt werden darf) und Hintersinn. Schernikau spricht die Dinge direkt an: „aids kommt aus dem amerikanischen und heißt: nichts hilft (haha).“ Sein Ratschlag: „wer jetzt aufhört zu ficken, sollte aufhörn zu rauchen trinken essen arbeiten autofahrn spraydosen benutzen lackfarbe plastik radios kinos menschen.“ Und daher: „…weiter ficken.“

Selbst wenn er ein Kinderbuch rezensiert, findet er dafür Worte und Sätze und vor allem eine Melodie, für die man ihn beneidet. „Die deutschsprachige Frauenliteratur wird in der DDR gemacht“, bekundet der große Bewunderer von Gisela Elsner und Christa Wolf; und klar, dass er mit „Frauenliteratur“ keine Arztromane meinte.

„Königin im Dreck“ ist sozusagen schnelles Zapping durch das Werk Ronald M. Schernikaus – um mit seinem Sound vertraut zu werden, gibt es nichts Besseres. Im Vorwort des Bandes lesen wir: „Leben ohne Haltung, Kunst ohne Politik wird nicht zu haben sein.“ Diesen heute wieder mehr denn je nötigen Zugriff auf die Welt kann man von Schernikau lernen.

Tina Manske

Ronald M. Schernikau: Königin im Dreck. Texte zur Zeit. Hg. von Thomas Keck. Verbrecher Verlag, Berlin 2009. 304 S. ISBN: 978-3-940426-34-5. 15,00 Euro / 30,00 sFr.