Geschrieben am 2. März 2016 von für Bücher, Litmag

Roman: Peter Wawerzinek: Ich Dylan Ich

Wawerzinek_ich_Dylan_ichHoch die Tassen!

Dylan steckt fest zwischen zwei Ichs. Das Klammernde des Titels ist emblematisch für den neuen Roman von Peter Wawerzinek, erschienen im Herbst 2015 im kleinen, neu gegründeten Wiener Verlag Wortreich. Dieser erzählt von der biografischen Nähe zu dem Starpoeten Dylan Thomas und einer großen Verehrung. Mehr noch: Es rauscht darin nicht nur das Meer, sondern tönen fast hörbar zwei Dichterstimmen. Dylan Thomas’ Werk ist weltberühmt, seine Auftritte legendär. Für den Ich-Erzähler oder Wawerzinek, wie er aus Gründen der autobiografischen Grundtönung im Werk des Autors hier jetzt heißt, ist er ein „Genie“, eine „Ikone der Vortragskunst“. Wawerzinek ist vierzehn und frisch adoptiert, als er zum ersten Mal dem großen walisischen Dichter im Radio lauscht.

Der Junge fühlte sich augenblicklich, auch wenn er nichts verstand, im „Singsang“ dieser Stimme geborgen: „Dylan, deine Stimme wurde zu dem, was mir Mutter und Vater sein hätte können.“ Aus dieser Infektion entwickelte sich nun Jahrzehnte später, zum hundertsten Geburtstag von Thomas, ein poetisches Echo in schöner Buchform.

Dylan Thomas (mehr hier im CulturMag) ist ein Mensch, der nur in seiner Größe zu begreifen ist: als Dichter und als Trinker, so wird er gesehen, so sah er sich selbst, so wird er bewundert wie rundweg abgelehnt. Wawerzinek legt nun seine eigenen Lebensspuren auf diejenigen des Walisers und entwirft in Bild und Gegenbild eine schillernde Sicht auf beide Dichter, auf zufällige Gemeinsamkeiten und auf Unterschiede. Der Autor erzählt Dylan von Peter, vom kleinen und großen.

Dazu werden Reisen nach Wales unternommen, abschließend sogar nach Manhattan, eine Art Heimsuchung des toten Idols, gleichzeitig eine Introspektion des Reisenden selbst: „Immer deinen Worten, Zeilen, Häusern und Orten nach. Mit deiner Dichtung im Ohr.“ Swansea und Laugharne, Pubs, Bier und Whiskey, das Elternhaus, die „Klippenhütte“, Fensterblicke, Ehefrau Caitlin. Draußen die schöne, ruppige Natur, der Wind, der Nebel, beider Blicke im Meer versunken – Rabenvögel als stete Weggefährten. Die Beschreibungen sind prall und direkt, aber auch weich, schwärmerisch, übersinnlich, betörend poetisch. Sie sind Wawerzineks eigener Singsang.


Tatsächlich ist der Tod ein weiterer stiller Protagonist, dieser sorgt für einen insgesamt melancholischen Grundton. Die Hommage richtet sich an einen Verstorbenen, der aber durch seine Dichtung lebt. Wawerzinek hat seine Trunksucht in den Griff bekommen, Thomas schaffte das nicht, sie war sein Untergang. Das hält der eine dem andern vor. „Der Tod hat dir den Stift aus der Hand genommen und das verführerische Glas in die Hand gedrückt.“

Die Sätze „Ich bin du. Du bist ich.“ sagen vielleicht Liebende zueinander, im Roman bleibt die Perspektive einseitig, sie ist die zutiefst persönliche von Wawerzinek. Der pathetische Ton solcher Aussagen, bisweilen ganzer Passagen blitzt immer wieder auf, ins Rührselige kippt er aber gerade nie. Dylans Perspektive braucht es nicht, er ist der Angesprochene, der Zumlebenerweckte. „Ich habe deinen Tod aufgehoben und mein Leben an das deine gebunden.“ Hoch die Tassen auf zwei Dichterstimmen!

Senta Wagner

Peter Wawerzinek: Ich Dylan Ich. Wien: Verlag Wortreich 2015. 160 Seiten. 19,90 Euro.
(Besprechung erschien in einer gekürzten Version in der Buchkultur 164.)

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