Geschrieben am 3. Mai 2016 von für Bücher, Litmag, News

Roman: Emily Walton: Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte

walton_fitzgeraldSommerglück, Winterkrise

– Selten gehen Cover und Titel eine solch verlockende Einheit ein. Man könnte auch sagen, sie sind eine Einladung zur sofortigen Lektüre. Ganz schnell geht diese auch tatsächlich dahin, so schnell, wie dieser einzigartige Sommer in dem Badeflecken Juan-les-Pins in Südfrankreich im Jahr 1926 ins Land zieht und mehr zurück lässt als eine „Postsommer-Melancholie“. Das handliche Büchlein „Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägteder aus Oxford stammenden Autorin und Journalistin Emily Walton erschien als Frühjahrstitel 2016 beim Wiener Braumüller Verlag.

Walton lebt ebenfalls in Wien und nennt ihre „Hauptsprache“ Deutsch. Mit ihrem überaus gewandten biografischen Erzählstück bewegt sie sich mühelos in ihren Elementen: der Literatur und dem Reisen. Ihr Held heißt F. Scott Fitzgerald, im Buch ist er Scott. Auch viele andere Figuren in dieser Sommerkonstellation, die von ihr dezent und genau porträtiert werden, tragen nur ihre Vornamen.

Geschrieben in der Gegenwartsform lebt das Buch durch seine satte Atmosphäre: gedehnte Sommertage, laue Brisen, Sonne, Strand, Meer, Drinks, Leid und Freud. Paradiesisch muss es dort gewesen sein, ins Schwärmerische verfällt der Text jedoch nie. Fitzgerald sollte schreiben an dem Ort, nicht Kellner zersägen. Der Sache war die Frage vorausgegangen, ob man einen „Menschen entzweisägen könne“. Fitzgerald ließ sich zu allem hinreißen, auch zu so einem brutalen Spaß.

Es war die Zeit, als die Hautevolee begann ihre Sommerfrische an der Côte d’Azur zu verbringen. Man kam aus den Weltmetropolen daher und gab sich welthaltig, schätzte aber gerade die Nische abseits des Glamours, die Schönheit der Riviera und das Klima. Das „schillernde“ amerikanische Vorzeigeehepaar Sara und Gerald Murphy sammelte in seiner Villa die auserwählte Avantgarde um sich. Gerald galt sogar als „Erfinder“ der dortigen Sommersaison.

Rasch vollzog sich die Metamorphose von Juan-les-Pins zum Touristenmagnet, einem „französischen Miami“. Man pflegte die Causerie und gab rauschende Partys. Mit dem Auftauchen von Ernest Hemingway, den die Murphys verehrten, wurde Fitzgerald die Show gestohlen. Hemingway schrieb wie verrückt, sein Freund machte dagegen die Nacht zum Tag und glitt in eine handfeste „Schaffenskrise“, litt unter „Kontrollverlust“ und Orientierungslosigkeit“. Stets buhlte Fitzgerald um Aufmerksamkeit und war unangepasst.

Der fragilen Zelda war er in den Wochen schon lange entglitten, sie isolierte sich und brauchte ihre eigenen „Kicks“. Die Ehe kriselte. Im Dezember des gleichen Jahres traten die Fitzgeralds krank, unglücklich, gescheitert ihre Rückreise nach New York an. Seinen Roman hatte Scott nicht vollendet, „sein Stern als größter amerikanischer Schriftsteller der Gegenwart ist nicht aufgegangen“. Die nicht enden wollende Zeit einer Sommerbrise zerrann ihm am Schluss zwischen den Fingern. Was blieb, war ein Neuanfang.

„Draußen vor dem Hauseingang der Villa St. Luis steht ein Koffer.
Keine Spur von Zelda.
Keine Spur von Scott.
Keine Spur von Glück.“

Senta Wagner

Emily Walton: Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte. Wien: Braumüller Verlag 2016. 164 Seiten. 19,90 Euro. Auch als E-Book erhältlich.

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