Geschrieben am 1. April 2016 von für Bücher, Litmag, News

Roman: Elias Hirschl: Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt

Hirschl_FreundeUnterwegs in außerzeitlichen Dimensionen

– Slammer-Star Elias Hirschl betritt mit zwei Romanen innerhalb von zwei Jahren die Bühne der Literatur. Von Senta Wagner.

Mit monströsen Titeln schafft man es locker auf die jährliche Longlist des „Ungewöhnlichsten Buchtitels“. Auch Elias Hirschls Roman namens „Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt“ dürfte gute Chancen haben. Das T-Shirt ist ein Schnäppchen vom Souvenirstand, dem einzigen dieser Art, den es nur in diesem genauso ungewöhnlichen Buch gibt. Auch der Autor hat eines abbekommen (Foto unten).

Elias Hirschl, geboren 1994, zählt mit zur blutjungen österreichischen Schriftstellergeneration und veröffentlicht mit seinem T-Shirt-Roman bereits sein zweites Buch innerhalb von zwei Frühjahrssaisonen beim Wiener Milena Verlag. Der ist ja, wie man weiß, zuständig dafür, dass heftige Bücher an heftige Menschen gelangen. Schnell haben seine Manuskripte dort begeisterte Aufnahme gefunden, neben Markus Köhle und Mieze Medusa ist er nicht der einzige Poetry-Slammer im Haus. Hirschl ist nämlich weder ein Unbekannter noch ein Neuling. Er schreibt, seit er schreiben gelernt hat, sagt er. Nach seiner Entdeckung der deutschen der Poetry-Slam-Szene fängt er im jugendlichen Alter selbst an, eigene Texte im Literaturhaus Wien beim monatlich stattfindenden Dichterwettstreit „Slam B“ vorzutragen. Als Krönung gewinnt er 2014 die Ö-Meisterschaft im Poetry-Slam.

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Foto: Janea Hansen / Milena Verlag

2015 erscheint „Der einzige Dorfbewohner mit Telefonanschluss“. Aus Fünfminutentexten entsteht ein erster Roman, bei dem der Autor die Publikumslacher auf seiner Seite hat. Auch die Kritik liest ihn als unendlichen Spaß und „Metafiktionsklamauk“, der eine „brachiale Freude an der Sprache und am Schreiben“ zeigt. Einen Genrewechsel sieht der Autor aber gerade nicht, vielmehr eine „Rückkehr“: „Ich habe immer schon eher längere Sachen geschrieben und trage beim Poetry-Slam dann meistens auch Kurzgeschichtenartiges vor.“ Dennoch ist der Einfluss zu bemerken, etwa wenn im neuen Roman „einige Kapitel zufällig genau fünf Minuten zum Vorlesen benötigen“. Tatsächlich muss man Hirschl gehört haben, der fantastisch vorliest. Auch dies verdankt er seinen Liveperformances. Zu Recht behauptet sich der Autor damit gegen das Belächeln der Slam-Gattung durch die Akteure der „hohen Literatur“.

Im jüngsten Roman des Autors trifft es Österreich mal wieder hart, mitten in die Seele. Das Buch ist ein satirischer Parforceritt durch das Land, seine Politik und (Wissenschafts-)Gesellschaft von heute, damals und in der Zukunft. Möglich ist dies durch die Erfindung des Zeitreisens, einem beackerten Feld der Science-Fiction-Literatur, der allerhand spektakuläre Ereignisse und Gedankenexperimente superschlauer Figuren vorausgehen. Der Autor ist in seinem Element. Nicht nur dass Kritik an herrschenden Verhältnissen hier und in der Welt direkt in sein Buch gewandert sei, sondern es zeigt sich darin auch eine Leidenschaft für „philosophische Fragen“, gerade auch was das „Hitler-Töten“ betrifft, und eine „starke Neigung in Richtung mathematischer Probleme“. Dass diese Disziplinen „viel mehr mit Slapstick zu tun haben, als man glauben mag“, ist eine der gelungenen Pointen des Buches. Sprachlich ist dieses gewaltig, furios, unartig, völlig abgefahren, logisch und unlogisch komplex.

Die Erzählweisen sind vielfältig und reichen vom Fernsehbericht, über Polizeiprotokolle, Tagebucheinträgen bis zu epischen Passagen und einem üppigen Fußnotenapparat. Für Hirschl spiegelt das „schön unseren Alltag wieder, wo wir ja auch ständig mit allen möglichen verschiedenen Informationsquellen konfrontiert sind“. Vorbildhaft für dieses Dickicht sind literarische Größen wie David Foster Wallace und Mark Z. Danielewski. Zwischendurch muss man natürlich stark sein bei der Lektüre und diverse Gewaltdelikte, Niedergangsszenarien, Zombies, Kitsch und maximale Ironie aushalten. Aber auch eine Stippvisite bei Thomas Bernhard, dem größten Erreger in der österreichischen Literatur, und ein Kaffeekränzchen sind nicht ausgeschlossen.

Senta Wagner

(Adaptiert von der Buchkultur Ausgabe 164)

Elias Hirschl: Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt. Wien: Milena Verlag 2016. 200 Seiten. 19,90 Euro.

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