Geschrieben am 4. November 2015 von für Bücher, Crimemag

Roman: Charlotte Otter: Karkloof Blue

Otter_KarkloofBlue_300dpiVon wegen nur ein Schmetterling

Von einer bedrohten Schmetterlingsart zu den Verbrechen der Apartheidszeit – diesen Bogen schlägt die aus Südafrika stammende, seit etlichen Jahren in Deutschland lebende Autorin Charlotte Otter in ihrem zweiten Roman ganz locker. Verknüpft hat sie die beiden Themen durch ein weiteres: die Zerstörung von Urwäldern und Savanne durch die Holz- und Papierindustrie, die großflächig Plantagen mit schnellwachsenden Baumarten, wie Kiefern und Eukalyptus anlegt.

Und mitten drin ist Charlotte Otters zupackende Protagonisten Maggie Cloete. Die ehemalige Polizeireporterin hatte Pietermaritzburg, die 220 000 Einwohner große Hauptstadt der östlich gelegenen Provinz Kwa Zulu Natal, für zehn Jahre (interessanter Zeitsprung ins Heute zwischen dem ersten und zweiten Roman) den Rücken gekehrt, war in Berlin und Jo’burg, ist nun aber zurück und arbeitet wieder für die Gazette, weil sie nach ihrem Bruder Christo sehen will. Der saß jahrelang mit einer posttraumatischen Störung in der Psychiatrie und versucht sich nun an einem Leben in Freiheit.

Bei Pietermaritzburg will die Papierfirma Sentinel Wald roden. Umweltschützer protestieren, weil dort eine der letzten Populationen des endemischen Falters Karkloof Blue lebt. Die Firma beginnt dennoch mit der Abholzung, bis auf dem Gelände ein Grab mit sieben Skeletten gefunden wird. Wie sich herausstellt, stammt es noch aus Apartheidszeiten, wahrscheinlich von sieben Jugendlichen aus der Gegend, die sich dem Umkhonto we Sizme, dem bewaffneten Arm des ANC angeschlossen hatten und Ende der Achtziger nach dem Anschlag auf ein Elektrizitätswerk spurlos verschwanden. Eine Riesen-Story, doch erhält Maggie von ihrer Chefin einen Maulkorb. Die Zeitung bezieht ihr Papier von Sentinel.

Eine Menge aktuellen Stoff hat Charlotte Otter da zu einer spannenden, actionreichen Geschichte zusammen gezurrt, wenngleich auch im zweiten Roman noch manche inhaltliche Wendung etwas hemdsärmlig daherkommt. Aber das macht Otter mit einer starken, vielschichtig gezeichneten Protagonistin wett, die sich eine gute Geschichte nicht nehmen lässt, ganz egal, wie vielen Leuten sie dafür auf die Füße treten muss. Und dabei hat sie stets auch den Blick für die ganz alltäglichen Schauplätze gesellschaftlicher Schieflagen, für die nur noch Sarkasmus hilft. Männer in Führungspositionen etwa. „Woher kamen bloß all diese bebrillten Anzugträger? Konnte man sie in Castingagenturen bestellen? Versiertheit im Nachahmen von Gesichtsausdrücken erwünscht.“

Charlotte OtterUnd derweil erzählt die Autorin, deren aktueller Roman, wie ihr Debüt, zuerst in deutscher Übersetzung erscheint und erst später in Südafrika auf den Markt kommt, von längst nicht aufgearbeiteten Verbrechen aus der Apartheidszeit, vom langen Arm jener, die damals das Sagen hatten, massiver Umweltzerstörung, skrupelloser Profitinteressen und einer Pressefreiheit, die da auf einem immer enger werdenden Markt von wirtschaftlichen Abhängigkeiten bedrängt, zu bröckeln droht. Ein starker, engagierter Kriminalroman, in dem Charlotte Otter mit einigen gesellschaftlichen Tiefenbohrungen der jungen Demokratie Südafrika auf den Zahn fühlt.

Frank Rumpel

Charlotte Otter: Karkloof Blue (Karkloof Blue, 2015). Roman. Deutsch von Katrin Kremmler und Else Laudan, die wieder einen üppigen Anhang mit Glossar und weiterführenden Links beigesteuert hat. Argument-Verlag, 288 Seiten. 13 Euro.
Verlagsinformationen zum Buch und ausführliche Links hier.
Charlotte Otters Blog hier.

 

 

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