Geschrieben am 31. August 2011 von für Bücher, Litmag

Roberto Zapperi: Eine italienische Kindheit

Kleine und große Geschichte

– Neugierig macht zunächst nicht der Titel dieses Buches, sondern ein anderes Werk des Autors. Das erste von Roberto Zapperi in deutscher Sprache veröffentlichte Buch trug den Titel „Der schwangere Mann“. Und wenn man dann diese von Zapperi ausgebreitete Geschichte liest, wird alles noch spannender und verrückter. Es gibt, so klärt der Autor da auf, ein altes sizilianisches Märchen, in dem ein schwangerer katholischer Priester (!) sein Kind abtreiben will, um sich nicht weiter dem Spott seiner Umwelt auszusetzen. Wenn das kein Plot ist …?! Von Carl Wilhelm Macke

In seinen jetzt erschienen Kindheitserinnerungen erzählt uns der römische Historiker Roberto Zapperi ausführlich von seiner Großmutter, die eine energische, wunderbare Frau (und auch begnadete Köchin) gewesen sein muß : „Meine Großmutter pflegte am Namenstag des Heiligen Josef (19. März) in ihrer Schenke einen großen Tisch aufzustellen und arme Leute zum Essen einzuladen. In der Mitte des Tisches stand die große irdene Schüssel, aus der sie die Suppe von getrockneten Saubohnen in großen Portionen in die Teller füllte, wozu es Rotwein in Hülle und Fülle gab.“ Sie hatte, so erinnert sich der Autor, unter der Theke ein Gewehr versteckt liegen…so dass kein Mann sie zu belästigen wagte.“

Ihr Enkel Roberto Zapperi lässt diese Zeit seiner Kindheit in seinen Erinnerungen noch einmal aufleben und wir um Generationen Jüngere hören uns diese Geschichte mit wachsendem Staunen an. Zapperi erinnert aber nicht nur an die märchenhaften Seiten seiner Kindheit, sondern auch an die dunklen Erfahrungen jener Jahre im Faschismus und später dann mit Soldaten der Nazi-Wehrmacht, die in Italien schreckliche Massaker begingen.

Lehrreiche Anekdoten

Roberto Zapperi

Dieses Buch zeichnet nicht seine literarische Qualität aus. Der Autor erzählt in einem sehr konventionellen Stil und manche persönliche Episode wird auch etwas zu sehr in die Länge gezogen. Was das Buch aber so lesenswert macht, ist die gelungene Verschmelzung von biografischen Details mit kulturgeschichtlichen Exkursen, die Einbettung der „kleinen persönlichen Geschichte“ in den Rahmen der „großen Geschichte“, die Italien wie Deutschland in der Endzeit von Krieg und Faschismus geprägt hat. Es gab im Leben des Autors Phasen, in denen er wegen der Verbrechen der Soldaten der Nazi-Wehrmacht in seinem Land in großer Distanz zur deutschen Kultur stand.

Erst viele Jahre nach dem Ende des Krieges und der faschistischen Zeit nähert er sich langsam wieder an ein Deutschland an, das man nicht gleichsetzen kann mit den Nazis. Das Leben des Roberto Zapperi wird gerahmt von den kindlichen Erfahrungen in einem noch vor-modernen Sizilien, den Jahren des Faschismus und Krieges, der Nachkriegszeit des wieder demokratisch werdenden Italien und des langsam wachsenden friedlichen Europas.

„Ich bewahre ihn noch heute auf.“ So lautet der letzte Satz des Buches und er bezieht sich auf einen Zeitungsartikel, in dem ein befreundeter deutscher Historiker das Ausscheiden der Italiener aus dem Bündnis mit Nazi-Deutschland als einen richtigen und einzig vertretbaren Schritt gegen die Barberei bezeichnet.

Auch das Buch von Roberto Zapperi sollte man für lange Zeit aufbewahren. Von seinem menschenfreundlichen und so versöhnlichen Ton kann man sehr viel lernen.

Carl Wilhelm Macke

Roberto Zapperi: Eine italienische Kindheit. Aus dem Italienischen von Ingeborg Walther. München: C.H. Beck-Verlag 2011. 160 Seiten. 19,95 Euro. Eine Leseprobe finden Sie hier.

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