Geschrieben am 3. Dezember 2006 von für Bücher, Crimemag

Richard Birkefeld & Göran Hachmeister: Deutsche Meisterschaft

„Roaring“ Twenties

Zwei tollkühne Männer auf ihren röhrenden Maschinen rasen der Deutschen Meisterschaft im Motorradfahren entgegen, kämpfen verbissen um den Titel und am Ende ums nackte Überleben. Ein kluger Krimi vom Historikerduo Birkefeld & Hachmeister.

„Du suchst’n Kopf, ich such’n Kopf, und überall an den Rennorten liegen Leichen herum, denen auch die Köpfe fehlen. Was ist hier los?“, fragt sich Motorrad-As Arno Lamprecht, nachdem fast ein halbes Dutzend Männer und Frauen gewaltsam ihr Haupt und damit ihr Leben lassen mussten. Lamprecht sucht nach dem Kopf seiner Frau, sein schärfster Konkurrent Falk von Dronte nach dem Kopf eines politischen Verräters.

In Wirklichkeit versuchen sie aber die quälenden Dämonen der Vergangenheit abzuschütteln. Als erfolgreiche Rennfahrer wollen schließlich auch sie die „Goldenen Zwanziger“ genießen dürfen. Doch die Geister des Krisenjahrs 1923 holen beide wieder ein, und zwar als im Münchener Forst die enthauptete Leiche eines Mannes gefunden wird. Es ist genau der Mann, den Falk von Dronte vor drei Jahren gemeinsam mit anderen Freikorpsleuten ermordet hat. Zur Verteidigung des vom linken Feind bedrohten Vaterlands, wie er damals glaubte. Den Kopf hatte ihr Mordopfer damals aber noch. Da kommt nicht nur Dronte, sondern auch sein dama-liger und heute hochrangiger Auftraggeber ins Schwitzen, der ihn zwingt, der mysteriösen Sache auf den Grund zu gehen. Aber auch Lamprecht gerät wieder ins Visier der Kriminalpolizei, denn auch seine tote Frau hatte man damals enthauptet vorgefunden. Und ihn als mutmaßlichen Täter verdächtigt.

Unbequeme Wahrheiten

Mit ihrer dramatischen Suche nach dem perversen Mörder wollen sie vor allem eins: sich selbst entlasten. Doch dabei kommen allerhand neue unbequeme Wahrheiten ans Licht. Und wer damals zu den Freunden zählte, entpuppt sich plötzlich als veritabler Feind. Mit steigendem Tempo und steigender Verzweiflung jagen sie einander als Konkurrenten auf den Rennpisten und dem Mörder auf den Straßen von München und Berlin hinterher. Erst wenige Szenen vor Schluss wird klar, wer von beiden das Rennen machen und den Mörder entdecken wird. Selten nimmt ein Krimi ein so dramatisches und unerwartetes Ende, das, weil es so ungerecht ist, auch noch besonders glaubwürdig erscheint.

Aber nicht nur der Plot, sondern auch das ganze Ambiente der 20er-Jahre ist stimmig. Dass hier zwei Historiker am Schreibtisch saßen, merkt man jeder Seite an. Über die Mode, Technik, Werbung oder Musik dieser Jahre wissen sie ebenso souverän und ausdrucksvoll zu schreiben wie über den Hitlerputsch, das Kriegstrauma von Arno oder pseudowissenschaftliche Rassentheorien. Die Liebe und Lust am historischen Detail und an historischer Authentizität stecken in jedem Absatz dieses hervorragend recherchierten Buches. Birkefeld und Hachmeister verstehen aber nicht nur das historische, sondern auch das literarische Handwerk. In die fast durchweg gebrochenen Charaktere vertiefen sich die Historiker mit psychologischem Feingefühl, und ihre Dialoge geben den erhöhten Puls dieser Zeit wieder.

„Unerträglich“ spannendes Finale

Die Dramaturgie des Motorradrennens strukturiert auch den dramatischen Aufbau des gesamten Romans. Verhalten sich die Fahrer zu Saisonbeginn noch lauernd, steigern sich die Spannung des Krimis und das Tempo der Motorräder beim Finale ins Unerträgliche. Welche der beiden Hauptfiguren die Deutsche Meisterschaft gewinnen wird, bleibt lange Zeit unklar. Wer hingegen gute Chancen hat, die „Deutsche Meisterschaft“ der Krimiautoren, den Deutschen Krimipreis, zu gewinnen, ist bereits jetzt klar: Birkefeld & Hachmeister.

Jörg von Bilavsky

Richard Birkefeld & Göran Hachmeister: Deutsche Meisterschaft. Eichborn Verlag 2006. 389 Seiten. 22,90 Euro