Geschrieben am 11. November 2010 von für Bücher, Crimemag

Ramón Chao / Ignacio Ramonet: Paris – Stadt der Rebellen

Von Rebellen und Kriminellen

Ein Rebell ist nicht gleich kriminell, sollte man meinen – dass politischer oder künstlerischer Widerstand im Laufe der Geschichte nicht selten kriminalisiert wurde, machen Ramón Chao und Ignacio Ramonet in ihrem Kulturführer durch die rebellische Tradition der französischen Metropole deutlich. Von Kerstin Schoof

„Es war ja in Paris, wo nach Jahrhunderten blutiger Konflikte der Aufstand des Volkes erfunden worden ist“: Ein Zitat von Andrew Hussy dient als Motto der Tour de Force, die der Schriftsteller und Journalist Ramón Chao und sein Kollege Ignacio Ramonet, ehemaliger Direktor der Le Monde diplomatique, durch das aufrührerische Paris unternehmen. In einer kurzen Einführung geben die beiden zunächst einen Abriss der Geschichte der Revolutionen, die sich in der französischen Hauptstadt abgespielt haben, und verweisen auf die lange Tradition des Protests, die Paris geprägt hat und die sich auch heute noch in Streiks und Demonstrationen, die europaweit ihresgleichen suchen, ausdrückt. Neben den politischen Revolten und Umstürzen wie der französischen Revolution, der Pariser Kommune und dem Mai 1968 ist es nicht zuletzt das kulturelle, intellektuelle und künstlerische Leben, das die Stadt über Jahrhunderte geprägt hat. Von der Aufklärung bis zum Surrealismus finden so auch Künstler, Literaten und Philosophen Eingang in Chaos und Ramonets Handbuch.

Von Arrondissement zu Arrondissement bewegen sich die Autoren durch die Straßen und Viertel von Paris, mal auf Abwegen, mal den Mainstream entlang. Während der so entstehenden Spaziergänge wird die Stadt neben zahlreichen Fotos wesentlich durch kurze Kapitel über einzelne Persönlichkeiten charakterisiert. Victor Hugo, Molière, Balzac oder Toulouse-Lautrec – über die üblichen Verdächtigen hinaus finden sich auch Namen, die hierzulande weniger bekannt sind: der Pazifist Jean Jaurès, der Fotograf Nadar, die Feministin Théroigne de Méricourt oder der Résistancekämpfer Missak Manouchian. Mit Ho Chi Minh, Lenin, Rosa Luxemburg oder Noam Chomsky wird auch die internationale Anziehungskraft und der Einfluss nichtgebürtiger Franzosen in der Stadt berücksichtigt. Aber nicht nur die Privatwohnungen all dieser Rebellen können Parisreisende entdecken, sondern auch öffentliche Plätze, Konzerthallen, Bars oder Restaurants mit entsprechender Vergangenheit: die Buchhandlung Shakespeare & Company beispielsweise, die Restaurants Chartier und Procope oder das Théatre des Champs Élysées.

Notwendig ergänzt wird diese Vielfalt der Orte und Biografien durch eine kleine Anzahl an Sacheinträgen, die die Hintergründe der sonst nur kurz angerissenen historischen Ereignisse in ihren Zusammenhängen verständlich machen.

„Paris – Stadt der Rebellen“ ist ein anregender Einstieg in die aufständische Geschichte der französischen Hauptstadt, dessen Autoren sich eher für einen breiten, eklektischen Abriss ihres Themas als für Details im Einzelfall entschieden haben. Ein Appetizer, der in jedem Fall neugierig macht.

Kerstin Schoof

Ramón Chao / Ignacio Ramonet: Paris – Stadt der Rebellen (Guide du Paris rebelle, 2008). Kulturführer. Deutsch von Barbara Heber-Schärer. Zürich: Rotpunktverlag 2010. 418 Seiten. 32,50 Euro.