Geschrieben am 3. Dezember 2014 von für Bücher, Litmag

PeterLicht, Lob der Realität

PeterLicht_Lob_der_RealitätAuf der Leuchtspur

– PeterLicht, ja genau, der 2007 in Klagenfurt zwei Preise gewann und sich weder fotografieren noch filmen ließ. Eine Kunstfigur mit Programm. Als Musiker, Autor, Zeichner, Stückeschreiber und -inszenator unterwegs, öffentlich und im Verborgenen, wo er sein PeterLicht strahlen lässt. Von Gisela Trahms

Im schönen Saal des Düsseldorfer Heine-Hauses, wo die Literaturhandlung Müller & Böhm wohnt, absolvierte er jetzt eine schlichte Lesung. Sehr sichtbar, sehr sympathisch saß er auf dem Podium und las aus seinem neuen Buch „Lob der Realität“, das gerade mit der gleichnamigen Doppel-CD erschienen ist. Auf dem Buchcover ist zu sehen, wie er eine Treppe heraufstürmt, der Arm verdeckt mal wieder das Gesicht. Tz, tz, möchte man meinen, wird das nicht langsam öde? Aber dass diese Nullmarkierung ausgereizt ist, weiß er natürlich längst, das ist bloß noch Spiel und Gekicke mit der Wiederholung.

Dann liest er, schnell, präzise, sachlich. Das Buch ist eine Sammlung von Texten und Zeichnungen, beides eher skizzenhaft, trotzdem genau. Eine Art Sudelbuch frei nach Lichtenberg, aktuelle Variante. Denn Spott und Ironie haben ja ihren Stachel längst verloren und sind keine Hilfe mehr angesichts unserer Verhältnisse, auch entlarvt muss nichts mehr werden. Jeder hat selbst zu Genüge gelernt und erfahren, in was für einer Realität wir uns täglich voran wursteln müssen.

PeterLicht lobt sie jetzt mal, in Vers und Prosa und ganz eigenem Ton und schafft es (meistens), das Lob gleichzeitig zu erhalten und zu durchlöchern. Dabei hilft ihm die Fantasie, geradezu ausschweifend fantastisch sind diese Langzeiler, in denen das Ich durch Wände gehen und alle Schranken überwinden kann. Zur Realität gehört hier, was wir träumen, was wir wünschen, aber nicht erreichen, und deshalb muss eben das PeterLicht nicht nur Schmutzecken und Machtverhältnisse erhellen, sondern auch ein paar Schwebezustände.

Als der Autor das Buch zuklappt, hat Moderator Philipp Holstein eigentlich nur eine einzige Frage: Wie machst du das? Solche Texte? So toll? Sein warmherziges Staunen gefällt allen, und eine geradlinige Antwort darauf kann es natürlich nicht geben. Ich geh halt so rum und schaue, sagt PeterLicht, ich nehme, was mir auffällt und was zu Bildern wird, und am wichtigsten ist der Rhythmus, überhaupt der Sound. Die Texte, meint er, gleichen einer selbsttragenden Karosserie, das bedeutet, es gibt ein Gerüst, das aber auf Durchzug angelegt ist und Platz hat für alles Mögliche. Ein treffender Vergleich, will es scheinen, aber später sagt eine schöne Frau aus dem Publikum, dass sie die Texte ganz anders erlebt hat, nämlich mit einem dichten Kern, den man vielleicht nicht in drei Worten zusammenfassen kann, der aber doch existiert. Ja, auch dagegen hat niemand etwas einzuwenden, die eine und die andere Deutung können koexistieren, darin liegt die Faszination.

Seine Zustandsbilder der Gesellschaft beruhen jedenfalls nicht auf der Lektüre soziologischer Wälzer, diese Vermutung weist der Autor mit leichtem Spott zurück. Interessanter ist doch zu überlegen, warum Geschichten und Gedichte, aber auch Songs, sich immer wieder die schwarze Lebensseite vornehmen, geradezu herumwühlen in der Schwärze, obwohl das Leben doch auch glänzt und jeder sich nach Euphorie sehnt? Nur mal als Beispiel: Der Mauerfall, das war eine Euphorie, die jeder festhalten wollte, aber man schafft es nicht, man fängt wieder an zu meckern und zu nörgeln, dabei: Gibt es etwas Schöneres, als auf der Mauer zu tanzen?

Kurz vor Schluss beantwortet er dann noch die Frage nach seinen Hausgöttern mit einer blitzenden Überraschung: Walt Whitman, „Leaves of Grass“. Darauf wäre wohl niemand gekommen, aber weiß man es, schnippt man mit den Fingern. Der große amerikanische Gesang, in dem alles Beginn ist und Offenheit und Hoffnung. Wenn ich einen Text lese oder höre, gilt, was er sagt, meint PeterLicht. Wenn der Text zum Beispiel „Das Lied vom Ende des Kapitalismus“ heißt, dann ist der Kapitalismus für drei Minuten zu Ende, das ist das Tolle.

Dagegen könnte man wohl einiges einwenden, aber wozu? Nicht heute Abend. Nicht hier und jetzt. Es ist so hell geworden.

Gisela Trahms

PeterLicht: Lob der Realität. Berlin: Blumenbar im Aufbau-Verlag 2014. 272 Seiten. 18 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zu PeterLicht.
Zur Cover-Maschine: Ladet auf www.lob-der-realität.de ein Bild hoch, das Ihr gemacht habt und schon ist das Cover fertig. Der Plan ist, dass eines dieser Bilder oder mehrere dann auch später in Druck gehen für Vinyl und CD.

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