Die Hoffnung stirbt zuletzt
In seinem Roman Wie es Gott gefällt erzählt Niccolò Ammaniti auf furiose Weise von Menschen, die am untersten Ende der gesellschaftlichen Leiter leben und davon träumen, auch einmal einen Zipfel des Glücks zu erhaschen. Von Karsten Herrmann
Gemeinsam mit seinem Vater Rino Zena lebt der 13-jährige Cristiano in einem heruntergekommenen und vermüllten Haus am Rande einer italienischen Stadt. Sein Vater ist ein saufender, jähzorniger und gewalttätiger Muskelprotz mit einer Hakenkreuzfahne über dem Bett, der sich und seinen Sohn mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Mit allen Mitteln will er ihn gegen das gefährliche und unerbittliche Leben wappnen und einen harten Hund aus ihm machen: „Du bist zu gutmütig. Du bist weich. Du wirst nie wütend genug.“ Doch auf seine Weise liebt Rino seinen Sohn auf das Innigste und seine größte Furcht ist, dass er das Sorgerecht für ihn verlieren könnte. So wechseln sich Momente der Geborgenheit, des kurzen Glücks und der rauen Zärtlichkeit ab mit solchen der unsäglichen Gewalt und des blanken Elends.
Gemeinsam mit seinen Saufkumpanen Quattro Formaggio und Danilo plant Rino einen großen Coup, der sie aller Geldsorgen entledigen und ihnen eine Zukunft verschaffen soll. Denn, „wenn du kein Geld hast, keine Arbeit, hast du zwar alle Freiheit der Welt, aber keine Ahnung, was du damit anfangen sollst“. Doch in der entscheidenden Nacht, in der eine biblische Sintflut über die Ebene niedergeht und die Flüsse über die Ufer steigen lässt, schlägt das Schicksal unglaubliche Kapriolen und der Traum vom Geld endet in einer Katastrophe.
Klassischer Geschichtenerzähler
Niccolò Ammaniti ist ein großes Talent, ein klassischer Geschichtenerzähler mit einer fast überschäumenden Fantasie und Imaginationskraft. So lässt er seinen Haupterzählstrang in vielen kleinen Nebenströmen mäandern, um dann wieder alles schicksalhaft zu vereinen. Quicklebendig und geschmeidig strömt seine Prosa dahin und reißt den Leser unwiderstehlich mit in seine tragischen Tiefen. Ungeschminkt, aber mit viel Gefühl erzählt Ammaniti vom Leben, von der Wut und der Hoffnung der deklassierten Menschen, die keine Chance mehr haben. Sein Erzählkosmos ist dabei bevölkert von starken und eigenwilligen Charakteren, wie sie nur noch selten zu finden sind. Er zeigt, wie das Gute und das Böse oftmals nur einen Wimpernschlag auseinander liegen und wie am Ende ein naiver Gottglaube die letzte Zuflucht und Rechtfertigung bildet: „Dazu sind Wunder da, sie sollen die Hoffnung zurückbringen.“
Karsten Herrmann
Niccolò Ammaniti: Wie es Gott gefällt (Come Dio comanda, 2006). Aus dem Italienischen von Katharina Schmidt. S. Fischer Verlag 2008. 490 Seiten. 21,90 Euro.
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