Gaaaanz langsaaaam
In Bonnés Roman herrscht die gepflegte Langeweile vor. Schade, dass der Autor die vielversprechende Ausgangssituation seiner Geschichte nicht zu nutzen wusste.
Mirko Bonné wurde beim diesjährigen Ingeborg Bachmann-Wettbewerb für seine Erzählung „Auszeit“ mit dem Ernst Willner-Preis ausgezeichnet. Doch sein jüngster Roman vermag nicht gänzlich zu überzeugen.
Beim Landeanflug auf einen türkischen Flughafen sieht Mario Ries auf dem Nachbarrollfeld ein verunglücktes Propellerflugzeug. In dieser Maschine hätte er sitzen sollen.
Was wie der Beginn eines wiedergewonnenen Lebens scheint, ist jedoch nicht mehr als eine Station auf dem Weg nach unten, eine Phase des Sturzes, der für Mario Ries bereits weit vor seinem Flug begonnen hat. Seine Frau hat sich von ihm getrennt, das Ende seiner Karriere scheint besiegelt, Ries sieht sich als Mobbing-Opfer. Doch sein Compagnon, der den Chefsessel der türkischen Dependance seiner Agentur einnehmen sollte, ist bei dem Flugzeugabsturz umgekommen.
Mirko Bonné schildert drei Tage, die sein Protagonist in einem Hotel in Izmir verbringt. Hier harren allerlei illustre Gäste der Eröffnung eines Europäischen Kulturzentrums: Da ist der abgehalfterte Schlagersänger Rhoberto, der sich lieber als Chansonnier bezeichnet, da ist sein Manager, der Gefallen an kleinen Jungen findet, da ist der väterlich-joviale Walter, der seinen Beruf als „Freund“ angibt. Vor allem aber ist da Walters Tochter Marina, zu der sich Ries hingezogen fühlt.
Zwischen Poolgesprächen und Ausflügen zu Sehenswürdigkeiten gilt es für ihn, den Kollegen im Leichenschauhaus zu identifizieren und der Bürokratie genüge zu tun.
Bonnés Prosa zeigt Stärken in den kleinen Momenten, den Dialogen am Rande. Seine Karikatur von Kulturtouristen ist stets treffsicher. Doch wirklich zu packen vermag sein Roman letztlich nicht. Zu farb- und charakterlos ist sein Protagonist, zu belanglos letztendlich sein Schicksal. Wie ein Vernissagen-Smalltalk plätschern die Ereignisse der drei geschilderten Tage am Leser vorbei. Man schmunzelt hier und da, nickt wiedererkennend, fühlt auch schon mal ein wenig mit – doch im großen und ganzen wünscht man sich, dass das oberflächliche Geplapper verstummt, dass jemand mal etwas gehaltvolles sagen möge. In Bonnés Roman herrscht die gepflegte Langeweile vor. Schade, dass der Autor die vielversprechende Ausgangssituation seiner Geschichte nicht zu nutzen wusste.
Frank Schorneck
Mirko Bonné: Ein langsamer Sturz. DuMont, 170 Seiten, 17,90 Euro.