Geschrieben am 24. April 2010 von für Bücher, Crimemag

Max Bronski: Nackige Engel

Aufpolierte Versatzstücke

Krimis hält er, welch erschröckliche Provokation, für ein Trivialgenre, sein Held Gossec heißt wie ein unterschätzter belgischer Komponist des 18./19. Jahrhunderts. Die Mystifikation „Max Bronski“ ist halt ein netter Schutzmantel für Scherz & Frohsinn. Dennoch, findet Joachim Feldmann,  hat sein neuer Roman Nackige Engel durchaus seine Qualitäten …

Ein paar Weißbier zu viel können so manchen auf komische Ideen bringen. Wilhelm Gossec, der Trödler aus Münchens Schlachthofviertel und Gelegenheitsermittler in kriminellen Angelegenheiten, ist da keine Ausnahme. „Würde Hitler heute durch München marschieren, würde der überwiegende Teil der Passanten wieder den rechten Arm hochrecken“, behauptet er gegenüber seinem Kumpel Julius und zögert auch nicht, den Beweis für diese steile These anzutreten. Flugs treibt er die passenden Klamotten auf, klebt sich ein Bärtchen unter die Nase und marschiert los. Dass er an diesem ungemütlichen kalten Abend ausgerechnet auf ein Häuflein Neonazis treffen wird, die vor einem Kriegerdenkmal eine Mahnwache abhalten, kann er ja nicht ahnen. Die zeigen sich erwartungsgemäß erschrocken und reagieren genauso, wie es der trunkene Gossec den meisten Bewohnern der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“ unterstellt hatte.

Zu seinem Glück kann er sich unerkannt aus dem Staub machen, nur um am nächsten Tag in der Zeitung lesen, dass man den Vorfall für eine Aktion des Kabarettisten Wolfertshofer hält, dem die getäuschten Hitlerjünger nun an den Kragen wollen. Gossec versucht ihn zu warnen, doch der professionelle Spötter lässt sich die Verwechslung gerne gefallen. Als er, wie es sich für einen anständigen Kriminalroman gehört, letztendlich doch einen gewaltsamen Tod erleidet, ist es natürlich unser Amateurdetektiv, der die Leiche findet. Dass ihm der mutmaßliche Mörder eins überzieht und er beinahe als Tatverdächtiger festgenommen wird, gehört ebenfalls zu den gängigen Bausteinen des Genres.

Recycling

Überhaupt versteht sich der unter dem Pseudonym Max Bronski schreibende Münchener Autor auch im vielleicht letzten Band seiner Gossec-Reihe vorzüglich auf das Recycling bewährter Plotelemente. Das ist allerdings ganz und gar nicht negativ gemeint. Schließlich poliert Bronski seine Versatzstücke gehörig auf, bevor er sie in Dienst nimmt. Und weil er seinen Helden und Erzähler mit einer wunderbar lakonischen Sprache ausgestattet hat, die ebenso gut für selbstironische wie für leicht sentimentale Passagen funktioniert, ist auch Gossecs vierter Fall ein Lesevergnügen.

Auch dass er Längen vermeidet, spricht unbedingt für den Autor. Gossecs Verwicklung in den Fall und dessen anschließende Aufklärung, die vom Ermittler – ein weiteres beliebtes Motiv – verlangt, sich seiner eigenen Vergangenheit zu stellen, werden auf ungefähr 200 Seiten abgehandelt. Bei solch lobenswerter Selbstbeschränkung muss alles stimmen, und das tut es hier auch. Am Ende dieses bemerkenswerten Beispiels deutscher Krimikunstfertigkeit gibt Gossec den Münchener im Himmel. Hoffen wir, dass er nur träumt.

Joachim Feldmann:

Max Bronski: Nackige Engel. Roman.
München: Antje Kunstmann 2010. 206 Seiten. 16,90 Euro.

| Bronski-Interview zu Schampanninger auf Süddeutsche.de
| Joachim Feldmann Am Erker