Geschrieben am 20. Februar 2010 von für Bücher, Crimemag

Matti Rönkä: Russische Freunde

Wieder mal grenzüberschreitend

Unter den vielen, vielen nordischen KriminalautorInnen, die alle gar nicht so wichtig sein können, wie man uns immer erzählen will, gibt es ganz sicher einen, der wirklich wichtig und originell ist: Matti Rönkä. Ein Kauftipp vom Krimibuchhändler unseres Vertrauens, Christian Koch.

Matti Rönkä, 1959 im finnischen Teil Nordkareliens geboren, ist einer der renommiertesten Kriminalautoren Finnlands. Seine Serie um Viktor Kärppä, einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter, Spitzensportler, Gauner und mittlerweile halbwegs gesetzestreuen Bürger, umfasst im finnischen Original fünf Romane. Mit Russische Freunde liegt nun endlich der dritte Band der Serie in deutscher Übersetzung beim Lübbe Verlag vor. Die beiden Vorgängerbücher erschienen beim Dortmunder Grafit Verlag. Matti Rönkä ist beim größten finnischen Nachrichtensender TV1 als Nachrichtensprecher und Redakteur tätig. Für Russische Freunde erhielt er 2006 den Finnischen Krimipreis. Zusammen mit seiner Frau und drei Kindern lebt er heute in Helsinki.

Viktor Kärppä ist momentan als Bauunternehmer in Helsinki tätig. Ab und an kauft er Grundstücke billig ein, bebaut sie, verkauft sie und zahlt vom erzielten Gewinn keine Steuern. Das ist, im Gegensatz zu früher, so ziemlich seine einzige Art, das Gesetz zu übertreten. In seiner Vergangenheit war er als Laufbursche für das organisierte Verbrechen, als eigenwilliger Informant der finnischen Polizei, Hehler sowie als eine Art Privatdetektiv tätig. Seine Vergangenheit, inklusive Spezialausbildung bei der ruhmreichen Roten Armee, ist für ihn allerdings Schnee von gestern. Heute steht Frieden, Legalität und das Zusammensein mit seiner Lebensgefährtin Marja ganz oben auf der Lebensplanungswunschliste. Da tauchen plötzlich zwei russische Gangster bei ihm im Büro auf und verlangen die Übertragung aller seiner Geschäfte an sie beziehungsweise an diverse Strohmänner. Nachdem Kärppä, finnischer Sturkopf durch und durch, dieses Ansinnen ablehnend beantwortet, brennt bald sein gemeinsam mit Marja errichtetes Wohnhaus.

Nun gibt es nur eine logische Konsequenz für Viktor Kärppä: Er macht sich auf nach Russland, um die Hintermänner dieser „feindlichen Übernahme“ zu ermitteln und sie umzustimmen, schlechtestensfalls zu eliminieren …

Wie in den beiden famosen Vorgängerromanen Der Grenzgänger und Bruderland lässt Matti Rönkä seinen Nichthelden Viktor Kärppä auch in Russische Freunde erneut diverse Grenzen überschreiten: die geografische zwischen Finnland und Russland, die durchlässige zwischen Legalität und Illegalität und zu guter Letzt die zeitliche zwischen Viktor Kärppäs Gestern und seiner Gegenwart.

Keine Schwermut

So herrlich unspektakulär (und fernab von jeder hierzulande so gerne unterstellten „skandinavischen“ Schwermut) die Romane von Matti Rönkä auch daherkommen, so wichtig sind sie – qualitativ gesehen – für den hiesigen Lesemarkt: als Gegengewicht zum Einheitsbrei des in den Buchsupermärkten Deutschlands gezielt platzierten und eingekauften „Skandinavienkriminalromans“.

So wie Viktor Kärppä in Finnland als Russe und in Russland als Finne gilt, so gilt auch diese Form der Kriminalliteratur als schwer zu „verschlagworten“. Sie lässt sich kaum in die ohnedies blödsinnige IKEA-Schublade pressen. Es gibt keinen Mord, es gibt eine Art Happy-End, und der Protagonist tut sich zwar selten mit Humor hervor, aber wenn, dann jedoch sehr gelungen. Das ist quasi ein Anti-Erfolgsrezept, aber eben genau deswegen so wichtig für eine sehr lebendige Subkultur neben den offiziellen „Top-Sellerlisten“.

Fazit: Ein unspektakulär daherkommender Kriminalroman, leise, einfach und gut erzählt, der von der immensen Kraft seines Inhalts lebt. Ein Autor, der zielstrebig an den Marketingstrategien der Großverlage vorbeischreibt. Exzellent, da freut man sich, streicht seinem alten Hund über den Kopf und tritt mit eben diesem leise lächelnd in die Kälte des Berliner Winters hinaus …

Zuletzt sei noch meine Freude über die Beibehaltung von Gabriele Schrey-Vasara als Übersetzerin angemerkt. Das tut dem Autor und dem verlagsübergreifenden Werk einfach nur gut.

Christian Koch

Matti Rönkä: Russische Freunde (Ystävät kaukana, 2005). Roman.
Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara.
Köln: Bastei Lübbe 2009. 189 Seiten. 14,99 Euro.

| TITEL-Rezension: Matti Rönkä, Der Grenzgänger
| TITEL-Rezension: Matti Rönkä, Bruderland