Variantenreiches Debüt
In „Das blaue Labyrinth“ präsentiert uns der 1972 in den Niederlanden geborene und im niedersächsischen Celle aufgewachsene Martijn van Praagh sieben Erzählungen, die sich durch einen erstaunlichen stilistischen Reichtum und ihre imaginativen Bilderwelten auszeichnen.
Mit einem bemerkenswerten Debutanten wartet der junge Göttinger Verlag Hainholz in diesem Winter auf: In „Das blaue Labyrinth“ präsentiert uns der 1972 in den Niederlanden geborene und im niedersächsischen Celle aufgewachsene Martijn van Praagh sieben Erzählungen, die sich durch einen erstaunlichen stilistischen Reichtum und ihre imaginativen Bilderwelten auszeichnen.
In der Titelgeschichte erzählt Martin van Praagh unter Anklängen an Dostojewskij und russische Märchenwelten von der Theaterschneiderin Sarah, deren Welt die Farben sind, und dem Fahrradkurier Aljoscha. In avanciert geschnittenen Szenen und damit einhergehenden grotesken Überschneidungen lässt er diese beiden jungen Menschen, die in derselben Straße aufgewachsen sind, schließlich zum ersten Mal zusammentreffen: „Sie lernten sich kennen, erzählten, lachten und weinten wie viele verliebte Paare im kalten Petersburg. Doch weniger als alle anderen wussten sie, wohin miteinander, wussten nur, dass die Welt zu klein schien für ihre Gefühle.“ Die märchenhaft-mythische Dimension ihrer Liebe lässt ihre sonst so laute und aufdringliche Umgebung in einen geheimnisvollen und immer bedrohlicheren „Dornröschenschlaf“ fallen: „Der Atem der Welt hielt an.“
Von einer ähnlich unbedingtem Liebe ist auch die Erzählung „Das Flackern des Feuers im Auge“ durchdrungen, die Martin van Praagh in einer hochpoetischen, ja schwärmerisch-romantischen Prosa in eine Tragödie münden lässt: „Es war eine tragische Liebe, denn nur die Tragik vermag auf ihren Flügeln die Tiefe und Aufrichtigkeit wahrer Liebe zu tragen.“ Englisch-distinguiert geht es dagegen im „Gewitter“ zu, in dem ein exilierter Lord entgegen seinen Gewohnheiten einen Tramper mitnimmt und sein Rolls Royce damit Schauplatz einer wundersamen und konfliktträchtigen Verkettung wird.
Über die ganze Strecke seiner Erzählungen überzeugt Martin van Praagh mit seiner psychologischen Sensibilität und einer surreal-bizarren Transzendierung der gewohnten Realität. Seine Prosa lebt dabei auch durch ihre Reduktionen, Aussparungen und offenen Enden, welche die Fantasie des Lesers ungeheuer anregen und ihn allerdings auch manchmal etwas ratlos zurücklassen
Karsten Herrmann
Martin van Praagh: Das blaue Labyrinth. Hainholz, 143 S., 32 DM