Um der Wahrheit willen
Mariane Pearl, die Frau eines in Pakistan entführten und hingerichteten amerikanischen Journalisten, erinnert sich in bewegender Weise an dessen Leben und letzte Wochen.
Man hat sich an diese Nachricht fast schon gewöhnt. Irgendwo unter vermischte Weltnachrichten wird über einen verschleppten, bedrohten, getöteten Journalisten berichtet. Man reagiert zynisch („Berufsrisiko“) oder flüchtig und teilnahmslos. Gäbe es nicht Organisationen wie vor allem die Reporter ohne Grenzen, dann wären diese Ereignisse schnell vergessen. Die Statistik aber ist erschreckend. Allein im Jahre 2003 sind über 40 Journalisten im Rahmen ihrer beruflichen Arbeit ermordet worden. Diese dramatischen Anschläge auf die Pressefreiheit und diejenigen, die sie professionell Tag für Tag verteidigen, gehört heute scheinbar schon zur Normalität.
Gegen das Vergessen
Gegen dieses Vergessen, ganz besonders gegen das Vergessen ihres ermordeten Ehemanns Daniel Pearl, hat seine Witwe Mariane ein bewegendes Buch der Erinnerung geschrieben. „Ich schreibe dieses Buch, um dir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und um die Wahrheit zu berichten.“ Detailliert erinnert sich die Autorin an das Zusammenleben mit ihrem Mann, besonders an die letzten gemeinsamen Wochen im pakistanischen Karatschi. Pearl, ein erfahrener und erfolgreicher Korrespondent des amerikanischen „Wall Street Journals“ in Südostasien, wurde im Schatten des Afghanistan-Krieges Anfang 2002 von einer Gruppe islamischer Fanatiker entführt, fünf Wochen lang gefangen gehalten und schließlich bestialisch hingerichtet.
Schwülstiger Titel, nüchterner Inhalt
Man sollte sich von dem süßlichen Titel, dem aufdringlich gestalteten Cover des Buches (das die Autorin ganz groß und den Namen des ermordeten Journalisten ganz klein darstellt) nicht irritieren lassen. Auch manche sehr persönlich gehaltene Passage ist in einem schwer erträglichen pathetischen Ton gehalten. Aber hinter diesem amerikanischen Verkaufsglamour verbirgt sich, stellvertretend für andere, vergleichbare Fälle, das Porträt eines Journalisten, der seine professionelle Neugierde und sein hohes berufliches Ethos mit dem Leben bezahlt hat. Die oft so abstrakt bleibende Berichterstattung über gewaltsame Entführungen und Ermordung von Journalisten erhält hier einen Namen, eine Biographie, ein Gesicht. Gewünscht hätte man sich aber etwas weniger Eigenwerbung und wenigstens in einem Nachwort den Hinweis auf die Arbeit von Organisationen wie die Reporter ohne Grenzen, die für ihre wichtige Arbeit über weniger Mittel verfügen als offenbar die finanziell gut abgesicherte „Daniel-Pearl-Foundation“. Nebenbei erfährt man auch viel über die politischen Realitäten Pakistans, über das Netzwerk des internationalen Terrorismus und das oft undurchsichtige Agieren von staatlichen Geheimdiensten in ihrem angeblich so ehrenwerten Kampf gegen die verschiedenen „Achsen des Bösen“. Im Anhang sind Mitleidsbekundungen einiger „very important persons“ vornehmlich aus den USA (von Georges W. Bush abwärts) an die Witwe und das nach der Ermordung von Pearl geborene Kind Adam zu lesen, deren Verlogenheit schwer erträglich ist.
Ein Tipp: der Umschlag des Buches ist eine Zumutung. Deshalb entferne man ihn vor der Lektüre.
Carl Wilhelm Macke
Mariane Pearl: Ein mutiges Herz. Leben und Tod des Journalisten Daniel Pearl. Aus dem Amerikanischen von Theda Krohm-Linke. Scherz-Verlag 2004, 320 S., 19.90 Euro. ISBN: 3-502-15476-7.