Es reicht nicht zur Vision
Maria Svelands Bitterfotze beginnt als wütende Rundumanklage gegen ein System, das Frauen immer noch auf Sparflamme hält, unterdrückt und klein haut – und enttäuscht am Ende doch mit einer Affirmation des heteronormativen Weltbilds. Von Tina Manske
Die dreißigjährige Sara nimmt sich eine Woche Urlaub und fliegt nach Teneriffa ohne ihren Mann und ihren kleinen Sohn. Der Grund ihres Ausflugs ist eine erwünschte Auszeit, da sie beginnt, eine verbitterte Frau zu werden. „Ich bin richtig bitterfotzig“, sagt sie, und ihr fällt auf, dass ihr täglich Bitterfotzen auf der Straße begegnen, Frauen, die ihr Leben aufgegeben haben für die Erfüllung ihrer Rolle in der patriarchalen Gesellschaft. In ihrer Urlaubswoche wird sie noch viele solcher Frauen treffen, die sich aus Frust in Alkoholismus oder einen sonstigen Zynismus geflüchtet haben oder die es ihrem Mann immer noch recht machen wollen, während der schon längst die innere Emigration gewählt hat.
Das Wort „Bitterfotze“ erfindet und empfindet sie als negatives Analogon zu Erica Jongs „Spontanfick“ aus deren Buch Angst vorm Fliegen, und wie deren Heldin Isadora sucht sie nach einem Ausweg aus den vorgegebenen Strukturen. Die Zeiten haben sich geändert seit den 70ern, aber wirklich besser geworden sind sie nicht. Die Ungleichheit der Geschlechter macht sich subtiler bemerkbar als damals, und was Sara besonders bitter macht, ist der Umstand, dass man offensichtlich noch nicht einmal in der eigenen Beziehung gleichberechtigt leben kann. Wie soll es da gesamtgesellschaftlich jemals klappen?
Affirmation des heteronormativen Weltbilds
Ihr eigener Mann zum Beispiel ist nun wirklich kein Ekel oder Macho. Trotzdem lässt er sie während der Schwangerschaft und auch danach wochenlang wie selbstverständlich allein, und als der Sohn da ist, bleibt die Erziehung an ihr hängen. Der Vater lässt sich kaum blicken, aber wehe die Mutter nimmt sich mal das Recht, an ihr eigenes Leben oder gar die Karriere zu denken – au weia. Als Journalistin fühlt sie sich ein ums andere Mal mit ihren Ideen im Regen stehen gelassen, während männlichen Kollegen noch der dümmste Einfall durchgewunken wird. Kein Wunder, dass sie aus Frust die Flucht nach Teneriffa ergreift. Das weibliche schlechte Gewissen aber nimmt sie auch dahin mit.
Maria Svelands Buch ist in einem Tonfall gehalten, der an einen Essay denken lässt, zumal sie die Ich-Form wählt. Sara, das könnte genauso gut Maria sein. Und so wird Bitterfotze zu einer Rundumanklage gegen das System, das Frauen immer noch auf Sparflamme hält, unterdrückt, klein haut. Interessant, dass diese Anklage ausgerechnet aus Schweden kommt, das man doch in Sachen Emanzipation auf einem guten Weg vermutete.
So gern man Sara/Maria zustimmt und sich freut über eine Wut, die sich mitreißend Bahn bricht (und so nötig und willkommen die Wiederaneignung und Umkodierung von männlich-missbrauchten Worten wie „Fotze“ ist), so sehr enttäuscht am Ende doch die Tatsache, dass aus all den Betrachtungen über die reale Situation der Geschlechterbeziehungen doch nichts weiter folgt als die Affirmation des heteronormativen Weltbilds. Am Ende kehrt Sara – fast möchte man sagen geläutert – zu Mann und Kind zurück und wird ein zweites Mal schwanger. Wie die Welt aussähe, würden sich Frauen tatsächlich ohne Schuldgefühle nehmen, was ihnen zusteht – diese utopische Vision kann sich auch eine Maria Sveland nicht im Traum ausdenken.
Tina Manske
Maria Sveland: Bitterfotze (Bitterfittan, 2007). Roman. Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer. Kiepenheuer & Witsch 2009. 272 Seiten. 8,95 Euro.