Geschrieben am 8. März 2007 von für Bücher, Litmag

Marcor Wehr: Welche Farbe hat die Zeit?

Von der „Tugend des Staunens“ und dem „Anfängergeist“

„Warum heißt der Stuhl Stuhl?“, „Wo war ich, bevor ich geboren wurde“ oder „Wo bin ich, wen ich tot bin?“ – tagtäglich fragen Kinder ihren Eltern Löcher in den Bauch und führen sie nicht selten an den Rand ihrer Erkenntnis- und Erklärungsfähigkeit.

In seinem Buch „Welche Farbe hat die Zeit?“ zeigt uns Marco Wehr anhand solcher nur scheinbar naiver Fragen, wie Kinder uns wieder neu zum Denken bringen und uns neue Horizonte eröffnen können. In einem lockeren Streifzug verbindet der Physiker, Philosoph, Sachbuchautor, Berufstänzer und Vater zweier Kinder dabei die ganz alltägliche Lebenspraxis mit der Mathematik und der Relativitätstheorie, mit der Hirnphysiologie und Verhaltensforschung.

Anhand des „Zufallsgenerators Kind“ hinterfragt Marco Wehr so zum Beispiel, was eigentlich wirklich planbar und beeinflussbar ist und wo eher die stoische Haltung angebracht ist: „Sorge dich nur um das, was du wissen kannst und was du auf Grundlage dieses Wissens auch beeinflussen kannst“. Eindringlich stellt Wehr auch gegenüber, wie sich Erwachsene unter dem unerbittlichen Taktgeber der Uhrzeit in ein Korsett der Routine und Gewöhnung zwängen und wie Kinder voller Freude und Energie die Welt mit ihrem „Anfängergeist“ und ihrer „Tugend des Staunens“ erobern. Ganz entscheidende Bedeutung für ein erfülltes und glückliches Leben weist er auch der kindlichen Art des Lernens zu – denn nicht nur bei Kindern, sondern auch bei den meisten großen Künstlern und Wissenschaftlern wie zum Beispiel Albert Einstein, finde das spielerische Tun und Üben als reiner Selbstzweck und nicht als ein schnödes Mittel zum Zweck statt.

In diesem Sinne schlussfolgert Wehr im Anklang an Nietzsches im „Zarathustra“ dargelegten drei Verwandlungsstufen: „Wir müssen wie die Kinder lernen, um auf einer höheren Ebene wieder wie Kinder zu werden.“

Karsten Herrmann

Marcor Wehr: Welche Farbe hat die Zeit? Wie Kinder uns zum Denken bringen. Eichborn Berlin 2007.  245 Seiten. 16,90 Euro.