Geschrieben am 21. Februar 2004 von für Bücher, Crimemag

Manfred Lührs: Im Dunkel Berlins

Verzwicktes Verbrechen im Moloch Berlin

Manfred Lührs erzählt seine kriminalistische Geschichte unter abrupten Perspektiv-Wechseln und stattet sie mit einer Vielzahl von Nebenschauplätzen und Verstrickungen aus.

Das Berlin der 20er Jahre ist ein ebenso magischer wie janusköpfiger Mythos: auf der einen Seite steht das atemlos dahinrauschende Nachtleben, auf der anderen Seite die rasende Inflation und Armut sowie (konter-) revolutionäre Umsturzversuche von links und rechts.

In seinem Roman „Im Dunkel Berlins“ lässt Manfred Lührs diese ambivalente Zeit und ihre Atmosphäre nun noch einmal plastisch auferstehen. In filmreifen – und manchmal allzu klischeehaften Szenen – führt er den Leser in einen Moloch mit „endlosen Häuserfluchten, Menschenströmen, Hauptsraßen, Querstraßen“: Da bimmeln die Trams auf dem Kudamm, da flackern die Gaslaternen am Bahnhof Zoo, da spielen die Jazzbands in den verrauchten Kellerkneipen und „Negertrommler blecken grinsend ihre Zähne“. Vor diesem mit detailliertem Lokal- und Zeitkolorit angereicherten Hintergrund spannt Manfred Lührs eine verzwickte Kriminal- und Spionageschichte auf.

Im Fokus des Geschehens steht der Paradiesvogel und Transvestit Henny, der sich im nie endenden Nachtleben Berlins mit viel Champagner, Kokain und wechselnden Freiern durch das Leben schlägt. Durch die Ermordung seiner Freundin Nelly wird er in einen Fall hineingezogen, dessen Fäden in der „Interalliierten Kontrollkommission“ zusammenlaufen und einen schmutzigen Knoten aus geheimen Rüstungsprojekten, Geheimdienstmachenschaften und sexueller Perversion bilden.

Manfred Lührs erzählt seine kriminalistische Geschichte unter abrupten Perspektiv-Wechseln und stattet sie mit einer Vielzahl von Nebenschauplätzen und Verstrickungen aus. So kommt sie zunächst zwar nur stockend in Gang, nimmt aber gegen Ende merklich Fahrt auf und baut eine virbrierende Spannung auf, die für manche Durststrecke entschädigt.

Karsten Herrmann

Manfred Lührs: Im Dunkel Berlins. Reclam Leipzig, 317 Seiten