Liquidieren, arrangieren, expandieren: Alles für die Firma
Howard Linskey hat nach „Crime Machine“ und „Gangland“ nun mit „Killer Instinct“ seine Trilogie des British Noir vollendet. Der Band ist so gnadenlos böse, amoralisch und grandios, wie man das von Linskey nicht anders erwartet – Von Peter Münder
Ja, man hat es schon schwer als Firmenboss: Die Einnahmen aus Drogengeschäften müssen gewaschen werden, dazu noch die Gelder aus dem Escort-Service und den Massage-Salons, die üppigen Schutzgelder , außerdem die Beute aus bewaffneten Raubüberfällen- so jammerte David Blake in „Gangland“ (zur CM-Kritik hier) über sein schweres Schicksal und servierte sofort jedem Spötter, der sich diese Sorgen über allzu viel Geld auch gern machen würde, gleich seine Sicht der Lage: „Mache ich nur einen einzigen Fehler, starre ich für den Rest meines Lebens graue Gefängnismauern an. Und das ist der Stress, mit dem ich ununterbrochen leben muss“. Wahrlich, sie ist schwer zu ertragen, die Bürde des reichen Mannes.
Nie ein Klischee, nie nach Schnittmuster
Wenn es damit nur getan wäre! Jetzt wollen sich in Blakes Revier noch brutale Balkan-Banden ausbreiten, dann kommt ihm noch ein skrupelloser, milliardenschwerer Russe ins Gehege, der über beste Connections zur Russen-Mafia verfügt. Der will von Blake einfach dessen Transportrouten für die Drogen vom Balkan übernehmen- falls Blake sich weigert, wird es ihm übel ergehen… Dass der Leser trotz all dieser üblen Machenschaften, in die der Boss verwickelt ist, sich für diesen Ober-Gangster Blake interessiert und phasenweise sogar ein gewisses Verständnis aufbringen kann, liegt an Linskeys großartiger Erzählkunst, die trockene Buchhalter-Statements mit sarkastisch-zynischen Sottisen aufpeppt und alles noch aus einer ironisch-distanzierten Perspektive darstellt. Linskeys Fundus scheint unerschöpflich zu sein: Seine spannenden Plot-Verästelungen stimulieren eine Art Lese-Gier, seine Figuren erfüllen eigentlich nie irgendwelche klischeehaften Schnittmuster und seine Dialoge brillieren auch noch in hochdramatischen Situationen mit lässigen Pointen. Linskey, 48, stammt aus dem nordenglischen Durham, schreibt für diverse englische Zeitungen und hat im CV ein Arbeitsspektrum vorzuweisen, das vom Barkeeper und Catering Manager bis zum Marketing-Manager reicht.
Von Newcastle nach Palermo
Sein Anti-Held Blake ist immer unter Druck, muss sich immer neuer tückischer Rivalen und deren Attacken erwehren und Tricks und Fallen von vermeintlich harmlosen Geschäftskollegen oder sogar von den eigenen Leuten antizipieren, die sich falsch behandelt oder übervorteilt fühlen. Und diese Grundkonstellation des „Life is a battle“ präsentiert er als spannenden Einblick in eine Maschinerie, die auch mit gekauften Polizisten aus der Führungsetage zusammenarbeitet. Das nordenglische Newcastle ist zwar nicht Palermo, aber Blake ist der kleine Bruder von Don Corleone. Und er hat trotz der Fixierung auf seine Firma in der nordenglischen Provinz durchaus einen Blick für die Dinge jenseits des Tellerrands. Die Diskussion über die Zersetzung gesellschaftlicher Werte durch Drogen etwa kommentiert Blake mit dem analytischen Scharfblick eines von Niklas Luhmann himself geschulten Soziologen: „Billy konnte Meth, Crack und sogar ein bisschen Heroin besorgen, wovon Bobby aber nichts wissen durfte, weil für ihn der Spaß beim Heroin aufhörte. Bobby war der Ansicht, Heroin würde die Gemeinschaft zersetzen. Ha, als ob es so etwas wie eine ‚Gemeinschaft‘ überhaupt noch gab“.
Die Abwehrschlachten, die Großkonzerne und deren Aktionäre gegen mächtige Konkurrenten führen, ähneln hinsichtlich des ökonomischen Kalküls den Kämpfen, die Blake durchstehen muss. Dabei ist er jedoch meistens völlig auf sich allein gestellt, weil seine Hilfstruppen keinen richtigen Durchblick haben, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Geht es hart auf hart, muss er Kinane, seinen Mann fürs Grobe, instruieren, die Folterinstrumente aus dem Werkzeugkoffer- Bohrmaschine, Säge usw.- zur Hand zu nehmen. Immerhin kann Blake bilanzieren: „Das Geschäft floriert, die Kohle fließt, und wir haben in den letzten zwei Jahren keinen mehr umgebracht, was ein gutes Barometer für die Gesundheit unserer Firma ist“.
Noir at its best
Die komplexen Irrungen/Wirrungen seines Privatlebens lassen in typischer Linskey-Manier Blakes kaum kontrollierbare Lage noch weiter eskalieren: Die Ehefrau Sarah hat er zusammen mit der kleinen Tochter in einem High-Security-Ghetto im thailändischen Hua Hin weggesperrt, wo sie abgeschirmt von Attentätern und überwacht von Gurkha-Body Guards ihr cooles Dolce vita am Pool auskosten sollen- was dann aber eher einer kommoden Variante von Isolationshaft ähnelt. Blakes Problem ist nicht eben banal: Sein ehemaliger Chef in der Firma war Sarahs Vater, der eines Tages plötzlich verschwand. Sie ahnt zwar, dass unschöne Umstände für den frühen Exitus ihres Vaters verantwortlich waren, kann aber keine näheren Details eruieren. Dass Blake selbst ihren Vater – wenn auch gezwungenermaßen – umbrachte und dann dessen Nachfolger wurde, hat er ihr bisher unterschlagen. Und das will er auch weiterhin so halten, obwohl sie immer wieder bohrt und nachfragt.
Als die ermordete Tochter von Detective Inspector Carlton gefunden wird, gerät Blake hochoffiziell ins Fadenkreuz der Polizei: Die Cops vermuten einen Racheakt seiner Firma und wollen ihn fertig machen. So muss er nun an mehreren Schauplätzen zeigen, wie gekonntes Krisen-Management aussieht. Was nicht leichter wird, als sein Buchhalter und Spezialist für Offshore-Konten in der Karibik sich einige Millionen der Firma ins eigene Täschchen stecken will und obendrein noch verdächtigt wird, ein pädophiler Killer zu sein.
„Ich will einfach nur unauffällig ein angenehmes Leben führen“, behauptet Blake – angesichts all der brutalen Exzesse ist das natürlich ein grotesk anmutendes Statement. Gleichzeitig gibt er aber auch zu, wie ein Zauberer die Leute dazu zu bringen, in die andere Richtung zu sehen, während er seine Tricks durchziehe. Howard Linskey kann man zum Glück genau auf die Finger, bzw. auf die Seiten seiner veröffentlichten Thriller sehen und kommt dabei aus dem Staunen kaum heraus: Dieses Schwelgen im düsteren Krimi-Milieu mit subtil porträtierten Dealern, Killern, korrupten Cops sowie abgebrühten Balkan-Gangstern, serviert mit einem überwältigenden, hübsch garnierten sarkastisch-ironischen Zynismus- das ist schon einmalig und absolut faszinierend: Simply Noir at its best.
Peter Münder
Howard Linskey: Killer Instinct. Roman. Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet. München: Knaur TB 2015. 377 Seiten., 9,99 Euro.
Empfohlen werden auch:
Howard Linskey: Gangland (The Damage, 2012). Roman. Deutsch von Conny Lösch. München: Knaur TB 2014. 412 Seiten. 9,90 Euro.
Howard Linskey: Crime Machine (The Drop, 2011). Roman. Deutsch von Conny Lösch. München: Knaur TB 2012. 378 Seiten. 9,99 Euro.