Über die Freundschaft
– Lena Goreliks Roman „Mehr Schwarz als Lila“ führt authentisch durch das pubertäre Gefühlsleben ihrer Protagonisten. Das sind keine normalen Jugendlichen. Aber warum soll es nicht auch unter ihnen Intellektuelle geben, die ihre Orientierung nicht bei Nintendo sondern bei Nietzsche finden.
Eingängig und pointiert, bisweilen poetisch lässt Groelik ihre Heldin Alex die Geschichte ihrer Freundschaft zu Paul und Ratte erzählen. Sie stehen kurz vor dem Abitur. Die Schule brauchen sie nicht mehr, bis der neue Referendar ihr Interesse weckt. Seine Persönlichkeit hebt sich deutlich vom blassen Hintergrund des Schulalltags ab. Er wird zur Projektionsfläche ihrer Wünsche. Lena Gorelik bringt dies gekonnt auf den Punkt: „Wir wissen noch nicht, wer oder wie du bist, also kannst du noch das sein, was wir sehen: ein junger Typ, hübsch. Schwarz gekleidet. Lässig irgendwie. Einer, der den Raum einnimmt, anstatt reinzukommen.“
Der Junglehrer ist sich seiner Wirkung bewusst. Sein Literaturunterricht wird zur Reise zum Selbst der Protagonisten. Dabei entsteht Nähe, ohne dass dies kitschig wird. Die Drei nehmen ihn in ihren Zirkel auf und geben ihm einen neuen Namen. Er lässt das geschehen. Gleichzeitig vergrößert sich ihr Abstand untereinander. Alex verliebt sich. Sie stellt die Freundschaft zu Ratte und Paul durch immer extremere Spiele auf die Probe. Die Abschlussfahrt endet im medial vervielfältigten Skandal.
Alex muss ihre Freundschaft zu Ratte und Paul neu formulieren. Sie sind andere geworden. Diese inneren Prozesse sind differenziert und poetisch beschrieben. Störend sind dabei die gestalterischen Brüche der Charaktere im Kontext der Schule. Die so selbstbewusst und autonomen Jugendlichen lassen sich das Ziel ihrer Abi-Fahrt von der Schulleitung vorsetzen. Es geht nach Auschwitz. Und auch das seit der Pop-Literatur der 90iger Jahre von Autoren wie Stuckrad-Barre so gekonnt eingesetzte Mittel, über Popmusik Befindlichkeiten bzw. Lebensgefühl zu kommunizieren, wirkt bei Gorelik wenig authentisch. Welcher Jugendliche assoziiert noch mit Titeln der Rolling Stones, Johnny Cashs oder Bob Dylans oder Van Morrisons. So passend die Textpassagen ihrer Songs auch gewählt sind. Jugendlichen werden sie keinen Sound vermitteln. Aber vielleicht richtet sich Goreliks Roman ja auch an deren Eltern.
Jörn Borges
Lena Gorelik: Mehr schwarz als lila. Rowohlt Verlag 2017. 256 Seiten. 19,95 Euro.