Geschrieben am 11. Dezember 2010 von für Bücher, Crimemag

Kurt Barcharz: Der zweitbeste Koch

Pandahäppchen

– Nehmen wir mal an, ein durchgeknallter Koch beschließt, Eisbär Knut aus dem Berliner Zoo zu klauen und allerliebst zubereitet einer Herde devianter Gourmets zu servieren – no problem with me, aber stellen Sie sich das öffentliche Geschrei vor. Ähnliches muss sich Kurt Barcharz gedacht haben, weniger hinsichtlich Knuts als eines womöglich noch knuffigeren Pandabärchens, das man sieden, schmoren, braten … Na ja, Sie wissen schon …

Aber das ist nur eine Idee unter vielen, vielen anderen seltsamen Gedankengängen, die uns Kurt Bracharz in seinem neuen Roman „Der zweitbeste Koch“ auftischt. Man kann schon auf die Idee kommen, dass eine Menge obskurer kulinarischer Abwegigkeiten (Hahn-Hoden-Gulasch, Entenembryonen, Murmeltier) thematisch direkt an sein großartiges „Appetit-Lexikon“ anschließen, das wir demnächst in einem CrimeMag-Food-Special durchnehmen werden, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Manchmal hat man den Eindruck, Bracharz mache mit Fleiß da weiter, wo Nury Vittachi in seinem Ekel-Gourmet-Thriller „Shanghai-Dinner“ aufgehört hat. Deswegen gibt es auch einen kleine Sittengeschichte des Kannibalismus, die Bracharz fröhlich und sehr detailreich einflicht, ob die nun mit der Handlung kernhaft zu tun haben mag oder nicht.

Bizarre Verarschung von Polit-Thrillern

Überhaupt der Plot – der könnte, weil so viele Geheimdienste sich in einer Art Wiener Chinese-Theme-Park mit Gourmet-Tempeln tummeln – von Robert Ludlum sein, wie eine Hauptfigur anmerkt. Aber Robert Ludlum ist bekanntlich tot und der Plot eine reichlich bizarre Verarschung von Polit-Thrillern, die glauben, so ziemlich alle Themen des Globus auf einmal thematisieren zu müssen, um ganz und gar gewichtig daherzukommen. Und zudem und vornehmlich ist der ganze Roman ein mit giftiger Betulichkeit daherkommender Tritt in die Fresse der ganzen saublöden, kreuzdoofen und schlunzbiederen, aber ubiquitären Grimmiundkochenundgourmetundrotweinundkäseundmitrezeptenvonteenieundbeenie-Schwarten, die allenthalben aus dem Boden schießen und nix als Verdruss, ennui und leichten Ekel bereiten … Allein dafür kann man Bracharz gar nicht genug loben! Und wir freuen uns natürlich auch, dass dieses Urgestein des Austro-Krimis endlich wieder etwas massiver auf der Szene präsent ist. Klone gibt es genug, man muss die Originale schützen!

Thomas Wörtche

Kurt Barcharz: Der zweitbeste Koch. Roman. Innsbruck/Wien: Haymon Verlag 2010. 177 Seiten. 17,90 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autor