Geschrieben am 2. Juli 2011 von für Bücher, Crimemag, Kolumnen und Themen

Kolumne: Unmögliche Lektüren (4)

Verrisse sind oft nicht ganz fair. Manchmal sogar richtig unfair. So wie bei uns: Gunter Gerlach stößt sich an Büchern, die anderen gut gefallen – dabei hat er sie noch nicht einmal zu Ende gelesen … Heute: Donna Leon – Auf Treu und Glauben

Wer liest eigentlich Donna Leon?

„Ich will’s mal wieder versuchen“, sage ich und schiebe das Buch über den Ladentisch. Die Buchhändlerin blickt auf mich voller Sorge herab und gesteht, sie hätte die letzten auch nicht mehr gelesen.

„Aber im Fernsehen sind die doch ganz gut?“

Sie sieht sich um, ob ihr Kolleginnen lauschen. „Diese deutschen Schauspieler, die Italiener spielen – nein!“

Zu Hause erwarten mich Majas nach unten gebogener Mundwinkel. „Da hast du doch vor Jahren mal eins angefangen auf Seite Hundertnochwas für ewig zur Seite gelegt. Ich hab das gar nicht erst angefasst.“

„Aber dir haben doch im Fernsehen die Donna-Leons immer gefallen.“

„Hab ich doch nur geguckt, wenn es nichts Besseres gab.“

„Worin ist dann der Erfolg von Donna Leon begründet?“

Maja bildet mit den Schultern zwei kleine Hügel. „Wer liest die?“

„Hör mal“, sage ich und lese ihr den Klappentext vor, denn von ihm habe ich mich beim Kauf beeinflussen lassen

„Ja, verspricht gut zu sein“, sagt Maja. „Und hat den passenden Titel für deinen neuen Versuch: Auf Treu und Glauben.“

Sie geht zum Bücherregal und versucht, das Buch zu finden, das ich damals zur Seite gelegt habe.

„Such nicht weiter, ich habe es zum Flohmarkt gegeben.“

Ich ziehe mich in meinen Lesesessel zurück.

Dass keine großen Verbrechen passieren, hörte sich in der Kurzversion des Klappentextes noch gut an. In der Langfassung der ersten drei Kapitel wird dann über das Wetter, die Hitze, das Lesen der richtigen Zeitungen, über das Horoskop und über das Verhältnis der Männer zur Familie gesprochen. Und es fehlt auch der in vielen Büchern neuer Autoren anzutreffende Satz gegen das Fernsehen nicht. Es ist alles ein wenig zäh.

Die bis dahin von mir passierten Floskeln – den Beruf an den Nagel hängen, das Schweigen spricht Bände, die Sonne traf wie ein Peitschenschlag – schiebe ich einfach mal dem Übersetzer in die Schuhe, wenn sie nicht auf seinem Mist gewachsen sind, werden sie ihn nicht drücken. Um mit ebensolchen Floskeln, die keine oder die falschen Bilder hergeben, zu reagieren

Eine Handlung kommt nicht in Gang, zwar wird in Kapitel Vier und Fünf mögliches, aber nicht rechtswidriges Fehlverhalten einer Richterin und einer alten Frau angedeutet, aber es geht nicht voran. Zu Beginn des siebten Kapitels heißt es: Brunetti hätte „mit dem Mächten der Finsternis ein Stillhalteabkommen geschlossen“. Ich befinde mich immerhin bereits auf Seite 64, habe keine Spur einer Handlung und mache Schluss. Wahrscheinlich verpasse ich das Beste.

„Solltest du, in den Augen deines Verlegers, nicht mal der Don Leon von Hamburg werden, als du anfingst, die Hamburg Krimis zu schreiben?“

Majas Grinsen hat mir zu viele Zähne.

„Gott sei Dank bin ich es nicht geworden und werde es nie sein.“

Gunter Gerlach

Donna Leon: Auf Treu und Glaube. Commissario Brunettis neunzehnter Fall (A question of disbelief, 2010). Roman. Deutsch von Werner Schmitz. Zürich: Diogenes 2011. 316 Seiten.  22,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch

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