Geschrieben am 15. Februar 2014 von für Bücher, Crimemag

Klaus-Peter Wolf: Ostfriesenfeuer

Klaus Peter Wolf_OstfriesenfeuerGebissexperten und Rumpelkammer

Man versucht ja immer zu verstehen, warum bestimmte Bücher und Serien zu Bestsellern werden, vor allem, wenn man keine Alleinstellungsmerkmale oder andere offensichtliche Qualitätskriterien finden kann. Ein solcher Fall sind die „Ostfriesen-Krimis“ von Klaus-Peter Wolf, deren achter Band „Ostfriesenfeuer“ gerade erschienen ist. Joachim Feldmann macht sich auf die Suche …

Fat Ollie Weeks ist alles andere als ein Sympathieträger. Das war auch die Absicht seines Schöpfers Ed McBain, der den beleibten Bullen mit einem penetranten Körpergeruch, ungehobelten Manieren und einem ganzen Sortiment rassistischer und misogyner Vorurteile ausgestattet hat. So ist es kein Wunder, dass die Ermittler vom 87. Polizeirevier der fiktiven Großstadt Isola fürchten, der ungeliebte Kollege könne sich zu ihnen versetzen lassen. Ein guter Kriminalist ist Ollie Weeks allerdings schon, wie George N. Dove in seiner Studie über McBains Polizeiromanklassiker („The Boys from Grover Avenue“, 1985) anmerkt. Und einen der letzten Fälle der Reihe („Fat Ollie’s Book“, 2003) darf der „gigantische Abfallhaufen“ – die wenig schmeichelhafte Bezeichnung stammt von seinem Kollegen Meyer Meyer – sogar fast im Alleingang lösen.

Ermittlungserfolge dieser Art sind Rupert (kein Vorname), Hauptkommissar bei der Kripo Aurich, nicht vergönnt. In Klaus-Peter Wolfs Ostfriesenkrimis gibt der unter pathologischer Selbstüberschätzung leidende Polizist den Tölpel vom Dienst. Rupert ist kleingeistig, rachsüchtig und eitel und somit die Idealbesetzung für peinliche Szenen jeder Art. Da kennt Wolf keine Gnade. Umso mehr Sympathie bringt er dem Rest seines Ermittlerteams entgegen. An erster Stelle steht Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen, die als Expertin für Serienmörder, von denen es an der Nordseeküste offenbar nur so wimmelt, gilt. Ihr Kollege (und frischgebackener Ehemann) Frank Weller gehört ebenfalls zu den Guten. Auch Ubbo Heide, der ebenso gütige wie erfahrene Chef der Dienststelle, sollte nicht vergessen werden. So ergibt sich eine fast klassische Figurenkonstellation, die zwei Grundbedürfnisse vieler Leser, nämlich Schadenfreude und Identifikation, erfüllt.

Doch diese Selbstverständlichkeit allein vermag kaum zu erklären, warum von Wolfs Ostfriesen-Krimis bislang über eine Millon Exemplare verkauft worden sind. Auch die Marotte des Autors, viele Figuren bei ihrem vollen Namen zu nennen, dürfte in dieser Hinsicht kaum ausschlaggebend sein, sorgt sie doch vor allem für gefährlich lange Sätze von faktensatter Eleganz: „Während Weller mit dem vollgepackten Citroen die siebzehn Zahnärzte in Norden auf seiner Liste abarbeitete und vom Brummelkamp, wo er Dr. Hans-Joachim Droege besucht hatte, zum Markt fuhr, um bei Dr. Andreas Dohle vorstellig zu werden, besuchte Ann Kathrin ihre Zahnärztin Melanie Maida in Marienhafe“. Die drei Gebissexperten hat sich Wolf übrigens vom „wirklichen Leben“ ausgeborgt, und auch die Topographie des Romans orientiert sich penibel am regionalen Vorbild. „Die Polizeiinspektion Aurich, die Landschaft, Fähren, Häuser und Restaurants gibt es in Ostfriesland wirklich“, heißt es in der Vorbemerkung des Autors. Aber auch in diesem Aspekt unterscheidet sich „Ostfriesenfeuer“, der achte Band der Reihe, kaum von einem Klassiker des Regio-Genres wie Jacques Berndorfs „Eifelfeuer“ (1997). Zumal sich, wie Lars Schafft in seinem bemerkenswert kritischen Nachwort ausführt, „die Städte-, Restaurant- und Familiennamen beliebig“ austauschen ließen, ohne dass dies auf den Roman eine Wirkung hätte.

Bleibt also der Plot. Den hat sich Klaus-Peter Wolf aus der Psychothriller-Rumpelkammer besorgt. Ein durchgeknallter Serienmörder im Allmachtswahn exekutiert seine Opfer nach einem ausgeklügelten Racheplan und schreckt dabei vor keiner Grausamkeit zurück. Dass sich auf seiner Todesliste auch der Name eines jungen Mannes findet, der jemandem aus dem Ermittlerteam eng verbunden ist, verleiht der Sache einen zusätzlichen Kick. Die Identität des Bösewichts ist nicht allzu schwer zu erraten, soll hier aber nicht ausgeplaudert werden. Schließlich wird „Ostfriesenfeuer“ aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens 100.000 begeisterte Leser finden, denen der Spaß nicht verdorben werden darf. Und für „Ostfriesenwut“, den für das kommende Jahr angekündigten neunten Band, dürfte die Bestseller-Prognose ebenfalls gelten. Warum das so ist, ist ihrem Rezensenten übrigens ein Mysterium geblieben. Vielleicht liegt das Geheimnis in der unbekümmerten Art, mit der Klaus-Peter Wolf Genre-Versatzstücke aus zweiter Hand zu einem 500-Seiten-Schmöker verleimt. Also findet sich das wahre Vorbild für die Ermittlerkarikatur Rupert auch nicht bei Ed McBain oder Sjöwall/Wahlöö, sondern im Zweiten Deutschen Fernsehen und heißt Overbeck.

Joachim Feldmann

Klaus- Peter Wolf: Ostfriesenfeuer. Kriminalroman. 526 Seiten. Frankfurt am Main. Fischer Taschenbuch 2014. € 9,99. Informationen zum Buch und zum Autor.

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