Geschrieben am 3. Mai 2016 von für Bücher, Litmag

Kinderbuch: Ute Wegmann: Dunkelgrün wie das Meer

wegmann_dunkelgrünReinigendes Gewitter

– Ein fesselndes Kinderbuch muss nicht immer spannende Abenteuer rund um Detektive, Piraten, Vampire oder sonstige Schurken bieten. Dass auch eine kleine, aus dem Alltag herausgegriffene Sommergeschichte auf gerade mal 80 großzügig (und sehr treffend) illustrierten Seiten ungemein packend und aufwühlend sein kann, beweist Ute Wegmann in ihrer Erzählung „Dunkelgrün wie das Meer“: Eigentlich sollte für Linn die beste Zeit des Jahres beginnen. Es sind Sommerferien und die Familie fährt wie schon in den letzten Jahren nach Holland ans Meer.

Doch über dem Start in den Urlaub hängen dunkle Wolken: Der Vater hat noch einen dringenden beruflichen Termin angenommen und muss daher sofort am ersten Tag wieder zurück in die Stadt. Die Mutter ist sauer und die Eltern reden nicht mehr miteinander. Am Strand angekommen, wird Linn mit der nächsten großen Enttäuschung konfrontiert: Ihre liebste Urlaubsfreundin Smilla, Tochter eines holländischen Deutschlehrers, ignoriert sie plötzlich und hat dafür offenbar mit einem anderen deutschen Mädchen sehr viel Spaß…

Ute Wegmann erzählt die Geschichte aus Linns Perspektive und findet dafür eine wunderbar sinnliche Sprache: Man glaubt beim Lesen den Sand unter den Füßen zu spüren, die salzige Meeresluft zu riechen. Doch es sind weit mehr als diese Äußerlichkeiten: Gerade in der Beschreibung von Linns Gefühlen zeigt die Autorin poetischen Einfallsreichtum, ohne ihre etwa zehnjährige Ich-Erzählerin dabei zu „erwachsen“ klingen zu lassen.

Linns Welt gerät aus den Fugen: Sie schnappt zwar lediglich Gesprächsfetzen ihrer Mutter am Telefon auf, doch eine Trennung der Eltern scheint greifbar im Raum zu stehen. Die Angst vor dem Ende einer langjährigen Ferienfreundschaft lädt die Atmosphäre noch zusätzlich auf. In einem tosenden Sommergewitter findet die Erzählung ihren dramatischen Höhepunkt, die unwettermäßige Entladung führt zu einem allseits versöhnlichen Ende.

Die aufgeweckte neunjährige Testleserin, die sich gerade für die Sprache des Buches begeistern konnte, hinterfragt das Happy End allerdings durchaus kritisch: Während die Versöhnung der Eltern durchaus nachvollziehbar erscheint, gibt es für die abweisende Haltung Smillas keine wirklich überzeugende Entschuldigung. Das andere Mädchen muss abreisen, so dass die die problematische Dreier-Konstellation und die daraus erwachsenen Konflikte allzu billig und ohne Begründung aufgelöst werden.

Frank Schorneck

Ute Wegmann: Dunkelgrün wie das Meer. Bilder von Birgit Schössow. dtv, Reihe Hanser, 2016. 80 Seiten. 12,95 Euro. Empfohlen ab 8 Jahre

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