Geschrieben am 22. Mai 2013 von für Bücher, Litmag

Kevin Powers: Die Sonne war der ganze Himmel

Kevin Powers_Die Sonne war der ganze HimmelIm Osten nichts Neues

– Bildgewaltig und authentisch erzählt der Amerikaner Kevin Powers in seinem zum „New York Times“-Bestseller gekürten Debüt „Die Sonne war der ganze Himmel“ vom Schrecken des Krieges im Irak und vom tragischen Ende einer Freundschaft. Autobiografische Züge liegen hier auf der Hand, da er selbst zwischen 2004 und 2005 als Maschinengewehrschütze im Irak stationiert war. Von Karsten Herrmann

Powers Alter Ego und Ich-Erzähler heißt John Bartle und ist Anfang 20. Seine Einheit liegt im irakischen Tal Afar, wo sich die amerikanischen Truppen und irakischen „Hadschis“ gegenüberstehen und wie Ebbe und Flut vor- und zurückweichen. Minutiös erzählt er vom Kriegsalltag, von den langen Stunden des Wachens in der Morgendämmerung, vom Warten auf das, was dann mit brachialer Gewalt hereinbricht: Das Pfeifen der Schrappnells aus dem Hinterhalt, „die heulenden Harmonien der Mörser“, die ihn in den Dreck werfen und mit der Erde verschmelzen lassen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Der Tod in allen Variationen ist allgegenwärtig und alltäglich, das Mitgefühl schrumpft im eigenen Kampf ums Überleben zu einem Nichts zusammen: „Wir waren uns inzwischen nicht einmal mehr der eigenen Verwilderung bewusst.“

Wie zäher Nebel liegen die Angst und die Verzweiflung über dem Geschehen und Johns Freund Murph zerbricht nach und nach an ihnen. Hilflos muss John mit ansehen, wie das Unweigerliche geschieht: „Ich begann ja auch, innerlich zu zerbröseln. Wie sollte ich da uns beide intakt halten?“ Doch die Schuld wird ihn nicht mehr loslassen und auch zurück zu Hause gehen der Krieg und seine Auslöschung für John immer weiter.

In Vor- und Rückblenden erzählt Kevin Powers mit großer Intensität und Sinnlichkeit von der unfassbaren Gewalt und Zerstörungskraft des Krieges. Über die zerschundenen Körper, zerbombten Häuser und verbrannten Felder hinaus zeigt er aber insbesondere auch auf packende Weise, wie der Krieg im Innersten der Menschen tobt, Stück für Stück die Menschlichkeit zerfrisst und nur noch Schuld und Verzweiflung übrig lässt. Mit einer zuweilen geradezu poetisierenden Bildsprache dringt Powers aus der Sicht eines Einzelnen feinfühlig in die verheerende Metaphysik des Krieges vor.

„Die Sonne war der ganze Himmel“ ist ein überzeugender, großartig geschriebener Antikriegsroman – das Pendant des 21. Jahrhunderts zu Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“.

Karsten Herrmann

Kevin Powers: Die Sonne war der ganze Himmel (The Yellow Birds, 2013). Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Frankfurt: S. Fischer Verlag 2013. 238 Seiten. 19,99 Euro.

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