Geschrieben am 19. Dezember 2004 von für Bücher, Litmag

K.L. McCoy: Mein Leben als Fön

Frisch gefönt durch die Weltgeschichte

 Das vierköpfige Autorenkollektiv hinter dem Namen K.L. McCoy bewegt sich klamaukig und stilsicher in Wort und Ton durch verschiedenste literarische Epochen und Gattungen.

„Lob oder Tadel eines literarischen Werkes sind allemal dem Verfasser selbst zu überlassen“, schrieb am 17. Dezember 1768 K.L. McCoy an G. E. Lessing – und ausdehnen könnte man diese Forderung auch auf Verlagslektorate. Wer auf die Idee gekommen ist, „Mein Leben als Fön“ als „Abenteuerroman“ verkaufen zu wollen, sollte in Sachen literarische Genres noch einmal Nachhilfestunden nehmen. Andererseits ist es auch wirklich nicht leicht, dieses Buch in eine Schublade zu stecken – was ja leider für den Verkauf manchmal hilfreich ist.

Was also ist dieses Buch und vor allem: Wer ist dieser McCoy? Glaubt man Michael Ebmeyer, Bruno Franceschini, Tilman Rammstedt und Florian Werner, dann ist Klaus Luzifer McCoy das vielleicht größte Genie aller Zeiten. Und „aller Zeiten“ ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn McCoy war schon immer da, gottgleich von Anbeginn der Evolution. Eines Abends in einer Kneipe am Prenzlauer Berg hat der Riese (mit dem „Bart eines Wikingers, dem Teint eines Überseekoffers und dem Bizeps eines Hafenkrans“) die noch jungen Leben der vier vielversprechenden Autoren ausgelöscht und ihnen seine Seele eingehaucht. Wiedergeboren als „Fön“ sind sie nun verdammt, K.L. McCoys Botschaften auf die Bühne, ins Internet und zwischen Buchdeckel zu tragen.

Und so wundert es nicht, dass die Vier als „Herausgeber“ alle Anweisungen befolgen, die ihnen von McCoy eines Morgens im Jahre 2001 übermittelt werden, wie sie es im Vorwort dem geneigten Leser beschreiben. Die Tür eines Schließfaches am Bahnhof Zoo führt in ein riesiges, unterirdisches Refugium, in dem sie auf K.L. McCoys, etliche Kartons umfassendes, schriftstellerisches Werk stoßen. Ein erster Einblick in dieses Werk wird nun mit „Mein Leben als Fön“ geboten.

Ein haartrocknendes Gesamtkunstwerk

„Fön“ ist ein rundum gelungenes Gesamtkunstwerk der vier Jungautoren. „Mein Leben als Fön“ ist ein respektloses Spiel mit literarischen Formen und historischen Ereignissen. Und immer wieder stellt sich die Frage des Haaretrocknens …
Wir begegnen in dem „Roman“ dem großen McCoy im Laufe der Jahrhunderte zum Teil unter anderem Namen. So führt er als „Phoinos“ ein Streitgespräch mit Sokrates – und die alten Griechen „Arglos“, „Lipglos“ und „Dralon“ lauschen gebannt. Vor Hunnenkönig Attila muss er als Geldbote Unregelmäßigkeiten in der Kasse verantworten. Kein geringerer als McCoy bringt den Hanf nach Jamaica, bevor er bei Marquis de Sade in einer Kerkerzelle landet, und im wilden Westen als „El Fon“ wilde Abenteuer besteht, bis er schließlich in der heutigen Zeit landet. Föns respektlos-ironisches Spiel mit dem Tagebuchroman, dem Western und anderen literarischen Genres ist ein großartiger Spaß, der selbstsicher die Grenze zum Klamauk überschreitet und ebenso sicher wieder zu seinen literarischen Wurzeln zurückfindet. Besonders stark sind allerdings die kurzen Passagen „Vom Hörensagen“, in denen Anekdoten über McCoy zum Besten gegeben werden. Hier kommen Fön dem absurden Witz eines Daniil Charms verdammt nahe.

Ihren vollen Witz allerdings entfalten Michael Ebmeyer, Bruno Francescini, Tilman Rammstedt und Florian Werner, wenn sie als „Literarische Boygroup“ die Bühne entern. „Texte an Musik“ erfasst nur unzulänglich, was Fön auf die Beine stellen. Ihre ausgefeilten Arrangements sind viel mehr als nur eine musikalische Untermalung von skurrilen Kurztexten. Man musiziert mit Klavier, Trompete, Gitarre und Bratsche ebenso sicher wie mit Küchenreibe oder trockenen Brötchen (!). Den Jungs ist anzumerken, dass sie Spaß auf der Bühne haben – der sich schon nach Sekunden auf das Publikum überträgt. In ihren Texten erheben sie das Banale zur Philosophie, wenn sie über die „Vereinsamung der Uhren“ grübeln, persiflieren in „Früher“ den verklärten Blick auf die Vergangenheit, fühlen mit den Pferden, die in Anhängern über die Autobahn gekarrt werden oder suchen in „Wir haben Zeit“ vergeblich nach dem Glück. Überhaupt, das Glück: „Das Glück passt in ein Kleid von H&M“ heißt es in einem Lied, und man ist sich sicher, noch nie so ein treffendes Bild gehört zu haben – das mit dem Nachsatz: „und es findet dieses Kleid sogar bequem“ sogar noch getoppt wird. Und für alle, die bislang noch nicht das Glück hatten, Fön live zu sehen, ist nun die erste CD erschienen. Fön ist damit ein einzigartiges Zwitterwesen zwischen Hörbuch und Pop-CD gelungen, ein Werk, das nicht nur mit wundervollen Texten aufwarten kann, sondern auch musikalisch zum Mitwippen, -schnippen, – summen einlädt. Und spätestens, wenn es so weit ist, folgt man willenlos dem Ruf K.L.McCoys zu einem Live-Auftritt seiner Jungs – auf die er stolz sein kann.

Frank Schorneck

K.L. McCoy: Mein Leben als Fön. Piper, 2004. Broschiert. 203 Seiten. 12 Euro. ISBN 3492270794.