Geschrieben am 20. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Juan Filloy: Op Oloop

Grandiose Entdeckung

Der 1934 entstandene Roman „Op Oloop“ ist ein umwerfendes Stück Weltliteratur, das unbedingt in den Kanon der modernen Klassiker gehört und den Vergleich mit Mann, Musil oder Svevo nicht scheuen muss. Von Karsten Herrmann

In Argentinien gilt Juan Filloy schon lange als geheimer Klassiker: 40 Bücher und rund 14.000 Palindrome hat er im Laufe seines langen Lebens verfasst. Im Juli 2000 starb Juan Filloy mit 105 Jahren in Cordoba – und erreichte damit sein erklärtes Ziel: „Ich möchte ein Schriftsteller dreier Jahrhunderte sein. Im 19. tat ich meine ersten Schritte, ich lief das ganz 20. hindurch und nun habe ich vor, bis ins 21. Jahrhundert zu robben.“

Juan Filloys Protagonist Op Oloop ist ein wahrhafter und hoch vergnüglicher Exzentriker: Er ist ein „Henker jeglicher Spontanität“, der sein Leben nach strengen methodischen Regeln verbringt und dabei tapfer gegen die komplizierten Strategien des Zufalls kämpft. Der Uhrzeiger ist der ultimative Taktstock und die Statistik das süße Elixier in Op Oloops Leben – das nichtsdestotrotz nicht gerade langweilig ist: Es spielt sich in Buenos Aires nämlich bohemehaft zwischen dem täglichen Schreiben, türkischen Damfbad- sowie teuren Restaurant- und Bordellbesuchen ab. Und wie in einem Theater führt sich der in der psychoanalytischen Introspektion gewiefte Op Oloop das „geheime Drama“ seines Lebens auf und nimmt dabei zugleich die Doppel-Rolle von Autor und Zuschauer ein.

1000. Bordellbesuch

Unterbrochen von Rückblenden schildert Juan Filloy in „Op Oloop“ nun einen ganz besonderen Tag im Leben seines Protagonisten: Es ist der Tag seiner Verlobung und zugleich der Tag seines 1000. Bordellbesuchs. Es ist aber vor allen Dingen ein Tag, an dem das analytisch-rationale Wesen des Meisters der Selbstbeherrschung schwer erschüttert und ein Teufelskreis aus Irritationen und Verwicklungen in Gang gesetzt wird: „Das Wunder der Liebe hat die definitive sabotage meines Geistes organisiert.“ In der Folge erleben wir „ein aus dem Brennpunkt geratenes Ich, deformiert, unscharf, ein homme de flou“.

Nachdem der Antrittsbesuch bei seinem Brautvater in einem grandiosen Eklat endete, irrt Op Oloop durch Buenos Aires und führt magische, sexuell äußerst freizügige Zwiegespräche mit seiner Verlobten – „diktiert von irgendeinem tief in seinem Unbewussten schlummernden obszönen Kobold“. Schließlich taucht er verspätet zu einem opulenten Bankett auf, zu dem er seine besten und sehr verschiedenen Freunde geladen hat. Die Dialoge dieser gestandenen Conaisseure, die ein weites Feld von der Gastronomie über die Liebe bis zur Metaphysik durchmessen, gehören zu den Sternstunden der Weltliteratur und schaffen eine packend dichte Atmosphäre voller Esprit und Witz.

Alle Höhen und Tiefen des Geistes

Op Oloop selbst erlebt in den Stunden der hochkultivierten Völlerei alle Höhen und Tiefen des menschlichen Geistes: Mal glänzt er durch seine brillante Rhetorik und reißt die Freunde durch seine Erinnerungen und Geschichten mit, mal sinkt er überflutet von seinen Gefühlen dumpf brütend in sich zusammen. Zu später Stunde gehen die Freunde auseinander und Op Oloop wird in die tiefe Nacht und in sein Stamm-Bordell geschwemmt, wo ihm der Zufall einen entscheidenden Stoß versetzt und die Tragödie ihren – noch immer augenzwinkernden – Lauf nimmt.

Juan Filloy ist ein grandioser Sprachvirtuose, der seine ebenso erlesenen wie plastischen Metaphern zielsicher setzt. Seine Prosa strahlt den Geist der großen europäischen Moderne aus und hat produktive Anleihen bei Ästhetizismus, Futurismus oder Surrealismus genommen. Die vorliegende Ausgabe des Tropen-Verlages ist vorbildlich ediert und mit einem umfangreichen Glossar sowie einem Nachwort der Übersetzerin Silke Kleemann versehen – und in diesem finden wir auch das frappierende Geständnis des Autoren, dass „Op Oloop zu 80% Filloy ist“. Spätestens jetzt möchte man mehr von diesem so lange verkanten Literaturmeister erfahren und fragt sich gespannt, wie viel weitere hochkarätige Edelsteine in seinem Ouvre noch der Übersetzung ins Deutsche harren.

Karsten Herrmann

Juan Filloy: Op Oloop. Tropen Verlag. 285 Seiten. 19,80 Euro. ISBN: 3-932170-51-2