Katholizismus jenseits von Krawall und Misstrauen
– Um den Theologen und Ratzinger-Antipoden Johann Baptist Metz ist es stiller geworden. Das mag an seinem Alter liegen, aber es liegt auch an seinem theologischen Anliegen, das scheinbar nicht mehr in die Zeit passt. Die Feuilletons und politischen Kommentatoren lieben nun mal den Krawall, wie er ihnen derzeit etwa von dem ehemaligen Kulturchef des SPIEGEL Matthias Matussek mit seinem Bekenntnis zu einem ultrakonservativen Katholizismus geboten wird. Oder die Auseinandersetzung mit den christlichen Kirchen wird vollkommen auf die vielen und für die Opfer auch schlimmen „Missbrauchsgeschichten“ reduziert. Zwischentöne und Differenzierungen gibt es da nicht. Bekenntnisse und fundamentale Wahrheiten sind gefragt, nicht aber Zweifel und Infragestellungen eigener Denkweisen.
Der Münsteraner Theologe Metz steht zum Beispiel für ein entschiedenes christliches Engagement auf Seiten der Opfer der globalen Durchsetzung eines „Raubtierkapitalismus“. „Es gibt kein Leid in der Welt, das uns nicht angeht.“ Von seinem Denken wurden viele Theologen weltweit, vor allem aber in Lateinamerika und Asien, geprägt, die die leidenden Menschen nicht auf eine Erlösung im Jenseits vertrösten wollen. Mit dem Verweis auf die Verheißungen der Bergpredigt sollen sie ermutigt werden, sich hier und heute für gerechte Strukturen einzusetzen. Für Metz ist das Christentum keine betuliche Vertröstungsreligion, sondern eine Ermutigung zum Handeln für eine bessere, gerechtere Welt als die bestehende.
In den aktuellen philosophischen Debatten gibt es eine sehr spannende Kontroverse über die Rolle der Religionen in den säkularen Gegenwartsgesellschaften. Kann man die Vernunft und Aufklärung verteidigen und trotzdem an Gott glauben, wie es besonders der viel diskutierte kanadische Philosoph Charles Taylor immer wieder fragt. Für Metz ist das keine Frage und deshalb ist sein Plädoyer für Spiritualität und den Geist der Gebete auch kein Rückzug in die weltabgewandte Esoterik. „Wachen, aufwachen, die Augen öffnen“ lautet zum Beispiel ein Kapitel in diesem auch für Ungläubige aller Richtungen intellektuell anregenden Buch. Einige der Aufsätze wurden bereits vor Jahrzehnten geschrieben, aber ihre Anliegen sind immer noch – und immer mehr – von großer Aktualität. „Es gibt eine Autorität, die in allen großen Religionen und Kulturen anerkannt ist: die Autorität der Leidenden…Fremdes Leid zur Sprache bringen, ist Voraussetzung aller Wahrheitsansprüche.“
Carl Wilhelm Macke
Johann Baptist Metz: „Mystik der offenen Augen“. Wenn Spiritualität aufbricht. Herder-Verlag, Freiburg i. Breisgau 2011. 258 Seiten. 24,95 Euro.