Geschrieben am 3. April 2013 von für Bücher, Litmag

Jochen Schmidt: Schneckenmühle

Jochen Schmidt_SchneckenmuehleSommerlanges Nichtstun

– Mit dem ihm eigenen Witz und einer extrem sympathischen Herzenswärme erzählt der auf Lesebühnen „groß gewordene“ Jochen Schmidt eine Coming-of-Age-Geschichte aus der untergehenden DDR. Von Tina Manske

Bereits auf den ersten Seiten hat er einen gepackt, dieser melancholische Ton eines 14-Jährigen, der die Welt nicht so recht versteht. Es ist das letzte Mal, dass der Ich-Erzähler Jens ins Ferienlager im sächsischen Schneckenmühle wird fahren dürfen, wo er alles so gut kennt, dass er die Situationen schon in Gedanken aufrufen kann, bevor er sich in ihnen befindet: Tischtennisspielen, Nachtwanderungen machen, nach Dresden fahren, abends in der Disko den anderen beim Tanzen zusehen. Nächstes Jahr wird er zu alt sein fürs Ferienlager, aber noch nicht alt genug, um zu trinken. Es ist ein irgendwie seltsames Zwischenstadium, in dem sich Jens befindet, man kennt es auch als Pubertät. Mädchen zum Beispiel erscheinen Jens als komische Wesen, aber irgendwie auch nicht mehr ganz so uninteressant wie noch einige Zeit zuvor.

Es passiert nicht viel in Schmidts neuem kurzen Roman „Schneckenmühle“. Tatsächlich schafft es der Autor fast spielend, dem Leser etwas von dem herrlichen, sorgenfreien, sommerlangen Nichtstun zu vermitteln. Etwas Leben kommt in das sympathisch vor sich hin lagernde Völkchen, als die Außenseiterin Peggy verschwindet. Kurz darauf taucht sie bei Jens auf, und er versorgt sie in ihrem Versteck mit Essen, erste zarte Bande bahnen sich an. Die wirklich großen Umwälzungen aber finden in diesem Jahr 1989 an den Grenzen der DDR statt.

Auch wenn sich der Staat mit letzten Machtdemonstrationen dagegen zu wehren versucht, man befindet sich in einem Land, das in Auflösung begriffen ist. Viele machen sich bereits auf den Weg nach Ungarn, auch Lagerleiter verschwinden plötzlich, im Westfernsehen wird über Zäune geklettert. Dagegen setzt Schmidt das naive Glück des Lagersommers, auf den sich schon der Herbst legt. Und all das gar nicht verklärt oder „ostalgisch“, sondern frisch und unterhaltsam.

Tina Manske

Jochen Schmidt: Schneckenmühle. Langsame Runde. Roman. C.H. Beck 2013. 220 Seiten. 17,95 Euro.

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