Schwarz-Weiß-Werbung
Joachim Zeller erzählt die Geschichte des Kolonialismus mit bunten Bildern und erhellenden Kommentaren. Von Jörg von Bilavsky
Hätte der Deutsche Werberat schon um die Jahrhundwertwende das Sagen gehabt, wären die „kolonialen Reklamesammelbilder“, wie wir sie in dem hervorragenden Bildband von Joachim Zeller sehen, vielleicht nie in Druck gegangen. Verstößt die Darstellung der als roh, naiv und grotesk gezeichneten Kolonialvölker doch gegen die heutigen Vorstellungen von Anstand, Sitte und Moral.
Um 1900 aber war der Rassismus nichts Anstößiges. Ganz im Gegenteil. Er war fester Bestandteil im Wertesystem des „Herrenmenschen“. Er sah sich schlicht und ergreifend „als Eroberer und selbsternannter Träger einer Zivilisationsmission“. Dass die gewaltsame Besetzung und Ausbeutung fremder Kontinente die Menschenrechte verletzen könnte, kam den Europäern nicht in den Sinn. Für sie ging es um Macht und Prestige, um einen „Platz an der Sonne“, wie der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Bernhard von Bülow, den Wunsch Deutschlands nach imperialer Größe formuliert hat.
Die von Stollwerck, Liebig und vielen anderen deutschen Firmen seit den 1870er Jahren in millionenfacher Auflage gedruckten Sammelbildchen spiegelten diese Stimmungen und Sehnsüchte wider und verklärten den militanten Imperialismus zum „volkstümlichen Kolonialismus“. Wer sich als „Weißer“ ein Bild vom „schwarzen Kontinent“ machen wollte, machte es sich nicht zuletzt durch die äußerst beliebten Reklamebilder, die nicht nur die „Sammelwut“ des Volks befriedigten, sondern auch deren Verlangen nach Abenteuer und Exotik. Freilich musste das Fremde immer beherrschbar bleiben, wofür die Kolonialtruppen mit Waffengewalt und Strafen gegenüber den „Eingeborenen“ schließlich sorgten.
Vom Zivilisationsmenschentum
Was sich aus den „kolonialen Bildwelten“ mentalitätshistorisch herauslesen lässt, beweist der Historiker Joachim Zeller ebenso eindrucksvoll wie einsichtig. Als ausgewiesener Kenner der Kolonialgeschichte kann er die Motive nicht nur historisch korrekt einordnen. Er versteht es die farbigen Sammelbildchen zuallererst als Träger stereotyper Weltanschauungen zu deuten und zu ordnen. In elf Kapiteln macht er anhand von fast 500 bestens reproduzierter Reklamebilder deutlich, wie sich der „Weiße“ im Alltag und Krieg als „Zivilisationsmensch“ glorifizierte und den schwarzen Mann als „Primitiven“ hinstellte. Natürlich dienten die bunten Bilder nicht nur der politischen Propaganda, sondern erfüllten auch einen ökonomischen Zweck, indem sie die verführerische Exotik der Ware (Kaffee, Schokolade) betonten und durch ihren Seriencharakter den Kunden an das jeweilige Produkt banden.
Zeller entreißt mit seiner „Bilderschule des Herrenmenschen“ nicht nur die Geschichte des Kolonialismus der Vergessenheit, sondern klärt auch über „frühmoderne“ Reklamekampagnen auf, denen im wahrsten Sinne des Wortes eine Schwarz-Weiß-Strategie zugrunde lag. Heute sind solche rassistisch gefärbten Werbefeldzüge von Markenherstellern zwar nicht mehr denkbar, aber die stereotype Sichtweise auf manche Themen und Dinge hat sich in der Werbebranche bis heute gehalten.
Jörg von Bilavsky
Joachim Zeller: Bilderschule des Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, 256 Seiten, 39,90 Euro.