Geschrieben am 14. Januar 2012 von für Bücher, Crimemag

Javier Márquez Sánchez: Das Fest des Monsieur Orphée

Zum Teufel!

Wir lieben alle unsere Hammer-Productions, hoffentlich. Christopher Lee als Dracula, kreischende Maiden, plüschige Ausstattungen, rotes Blut und Nebelmaschinen … Das ideale Setting für einen Retro-Roman. Der Spanier Javier Márquez Sánchez hat sich ans Werk gemacht, Corla Bauer ist aber nicht soo sehr überzeugt.

Das Fest des Monsieur Orphée“ gleicht sowohl von der Aufmachung als auch inhaltlich sowie vom stilistischen Aufbau eher einem Horrorfilm denn einem Kriminalroman. Mit schwarzem Einband, gelber Schrift und rotunterlegten diabolischen Zeichnungen mutet das Cover schon sehr mysteriös an. Schlägt man das Buch dann auf, tauchen wie auf einer Leinwand der Filmvorspann, die beteiligten Protagonisten, der Wichtigkeit nach in Reihe geordnet auf. Auf der zweiten Umschlagseite folgen dann die Namen des Illustrators, des Übersetzers, des Autors und Verlags.

Dem ersten Kapitel ist darüber hinaus noch jeweils ein Filmzitat der britischen Schauspieler Sir Laurence Olivier und Peter Cushing vorangestellt, wobei Cushing eine Hauptrolle in diesem Titel zuteil wird. Das erste Kapitel beginnt gleich mit einem grausamen Massaker und einem Massenselbstmord von Minderjährigen. Anhand dieses dramaturgischen Schockeinstiegs wird das Geschehene recherchierend aufgerollt. Selbiges erfolgt vielschichtig parallel auf verschiedenen Ebenen, die jeweils den Hauptakteuren zugeordnet sind. Wie in einem Film erfährt der Leser also, was jeder einzelne Darsteller zu einer bestimmten Zeit macht. Dann gibt es immer wieder Kapitel, in denen alle Ebenen und Protagonisten zusammengeführt sowie Hintergründe geklärt werden. Ganz langsam entwickelt sich so vor dem Auge des Betrachters respektive Lesers der Plot des Geschehens: In einem kleinen Dorf in England ereignet besagter Mord und Selbstmord mit dessen Aufklärung der verschrobene, auf merkwürdige Kriminalfälle spezialisierte Inspektor Carmicheal betraut wird. Dieser bekommt tatkräftige Unterstützung von seinem Assistenten und Zögling Harry Logan. Die Parallele zu Holmes und Watson ist unverkennbar. Nach und nach werden sich die beiden Polizisten der Mysteriosität des Falles bewusst, denn weitere absonderliche und besonders grausame Todesfälle, denen jeweils etwas Diabolisches anhaftet, häufen sich im Umfeld. Im Laufe fortschreitender Ermittlungen kristallisiert sich heraus, dass den Fällen ein gemeinsames Thema anhaftet, da alle Spuren immer wieder auf den Titel eines verschollenen Hollywoodfilms aus den frühen 20er Jahren hinweisen. Das Fest des Monsieur Orphée gilt als ein Film, den Luzifer höchstpersönlich gedreht haben und damit den jeweiligen Betrachter zu Wahnsinnstaten verführen soll.

Peter Cushing

Allow me to introduce myself …

So unwahrscheinlich das für die beiden Polizisten klingen mag, konkretisiert sich immer mehr, dass es auch im modernen London der 50er Jahre diabolische Machenschaften gibt, die zu dem gesellschaftlich und wirtschaftlich hohes Ansehen und Einfluss genießenden Lord Meinster führen. Zeitgleich macht sich Peter Cushing, realer BBC Star der fünfziger Jahre, auf den Weg zu eben jenem Lord im Rahmen vorbereitender Recherchen für eine Rolle in einer Frankensteinneuverfilmung. Auch ihn treiben die merkwürdigen Todesfälle und der besagte Film um, dennoch kann er sich eines gewissen Banns, der von jenem luziferischen Lord ausgeht nur schwer erwehren. Cushing und die Polizisten treffen aufeinander und schließen sich schließlich zu einer Front gegen das Böse zusammen.

Im düsteren London mit mystischen Herrenhäusern, dunklen Museen und Bibliotheken sowie unheimlichen Parks findet der Satanismus der 50er Jahre ein wohliges Plätzchen. Einer Sekte gleich sammeln sich Anhänger aller Schichten, Klassen und Bildungsstandards zu diabolischen Treffen, in denen sie den Beginn eines neuen Zeitalter vorbereiten und erwarten, das Vehikel dazu ist der teuflische Film, der wie eine Bibel der Dunklen Mächte angesehen wird.

Das Gute und das Böse

Im Laufe des Romans geht Reales in Unwirklich-Gespenstisches über. Wie in schnellwechselnden Filmszenen springt die Handlung von Protagonist zu Protagonist, bis schließlich alle Fäden zusammengeführt sind (es gibt ein zwei Sequenzen und Personen, die in der Luft hängenbleiben, ohne wieder aufgegriffen zu werden). Von da an ist die Handlung konsequent zu verfolgen, ohne sich erneut auf verschiedene Ebene einlassen zu müssen.

Letztendlich kämpfen auf der Seite des Guten nur eine Handvoll Menschen gegen die diabolische Übermacht der Londoner Kreaturen und Satanisten, dennoch schaffen es Carmicheal und seine Getreuen, das Böse in einer spektakulären abenteuerlichen Aktion zu besiegen. Das Böse vernichtet sich im Grunde selbst.
So hat auch der grausige Horrorfilm nach 400 Seiten ein Happy End.

Javier Márquez Sánchez (Quelle: javiermarquezsanchez.com)

… aber …

Grafisch ist das Buch, wie gesagt, ein Hingucker. Leider hält die sprachliche und stilistische Qualität das Niveau nicht mit: Obschon der Wortschatz ein Feuerwerk an Vielfalt abbrennt, wirkt die Sprache größtenteils hölzern und ungelenk. Weil ich den Titel nur auf Deutsch vorliegen habe, kann ich nicht sagen, ob das Problem in der Übersetzung liegt oder ob das Original sich mit leichtfüßiger Sprache schwer tut. Der Spannungsbogen setzt sich manchmal selbst matt, weil im Eifer des Gefechts manche Handlungsstränge und Personen unverfolgt bleiben, untergehen oder vergessen werden. Der Romandebütant Sánchez hat eine unterhaltsame Filmhommage vorgelegt, jedoch manchmal vergessen, dass er es nicht mit Zelluloid, sondern mit Papier zu tun hat.

Javier Márquez Sánchez, Jahrgang 1978, ist als Journalist für den spanischen Rundfunk und Zeitschriften tätig. Horrorfilme haben ihn schon von frühester Jugend an fasziniert, und seine Begeisterung wie Fachkenntnis des Genres ist in seinem Roman deutlich zu spüren, manchmal ist sein Temperament wohl mit ihm durchgegangen. Und in der Fülle der exzellenten Recherchen hat es sich manchmal etwas verloren. Wer unterhaltsamen Horror und das Satanische liebt, für den ist „Das Fest des Monsieur Orphée“ ein netter und ungeheuer spannender Schmöker, ein Kriminalroman ist es nicht.

Corla Bauer

Javier Márquez Sánchez: Das Fest des Monsieur Orphée (La Fiesta de Orfeo, 2009). Roman. Deutsch von Luis Ruby. Zürich: Walde + Graf 2011. 406 Seiten. 24,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Deutschsprachige Hammer-Film-Fansite.

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