Geschrieben am 5. Mai 2010 von für Bücher, Crimemag

Ian Rankin: Ein reines Gewissen

Korruption, Glücksspiel und schweren Jungs

Bestsellerautoren müssen bestsellen. Wenn eine Formel nicht mehr so recht funktioniert, muss eine andere her. Auch wenn die der ursprünglichen Formel nicht ganz unähnlich ist. Das schafft Probleme. Solche, wie sie Ian Rankin hat und wie sie uns Max Annas erläutert.

Siebzehn Bücher lang hat Ian Rankin seinen Detective Inspector John Rebus durch Edinburgh und seine Umgebung geschickt, um dem Bösen und dem Unbegreiflichen auf die Spur zu kommen. Rebus war in die Jahre gekommen und Rankin hat ihn mit 60 – das Alter der Figur, nicht das von Rankin – ganz einfach in Pension geschickt. Das passiert im wirklichen Leben ja auch, wenn Menschen müde und alt sind. Dazu muss man wissen, dass Rebus schon lange müde war und Rankin einen nicht unbeträchtlichen Aufwand betrieben hat, diese Alltagsmüdigkeit seines Protagonisten wieder und wieder zu unterstreichen.

Rankin war überaus erfolgreich mit seiner Rebus-Serie, übersetzt in mehr als zwei Dutzend Sprachen, die Qualität seiner Bücher schwankte dabei so sehr wie ihr Umfang. Malcolm Fox heißt nun der Nachfolger von John Rebus. Auch er ist angelegt als Serienfigur. Auch er lebt und ermittelt in Edinburgh. Fox hat mit seinem alten Vater und einer etwas desorientierten Schwester ein bisschen mehr Familie um sich herum als der getrennte lebende und zur Einsamkeitsdepression neigende Rebus, er trinkt keinen Alkohol (mehr), er trägt, ganz wie Rebus, eine Art natürlicher Langsamkeit in sich. Einen Bruch hat Rankin mit seiner neuen Figur nicht eben angestrebt. Ein Mann mit Eigenschaften ist dieser Malcolm Fox nämlich auch nicht geworden, Rebus mehr als nur ähnlich. Es wird viele Stammleser geben, die Mühe haben werden, Rebus und Fox überhaupt auseinanderzuhalten.

Ein neuer Ton?

Einen neuen Ton bringt am ehesten das neue Umfeld mit sich, in das Rankin seinen Fox gesteckt hat. The Complaints ist der mehrdeutige Originaltitel, der im Deutschen zum hohlen Ein reines Gewissen geworden ist. Dabei verweist er schon auf die Abteilung, in der Fox Dienst tut, und in der man nur selten Gelegenheit hat, sich Freunde zu machen. Das Complaints and Conduct Department ist die Innere Ermittlung, in der gegen kriminelles Tun anderer Polizisten ermittelt wird. Mehr als die üblichen knurrenden Töne und giftigen Blicke der Kollegen, die Fox und seine Leute bei der Arbeit begleiten, fällt Rankin zum neuen Setting aber nicht ein. Das hat man schon mal aufregender gelesen.

Bleibt der erste Fall. Hier treffen sich Internationales und Familiäres. Fox wird auf einen Kollegen angesetzt, der in einem australischen Ring aktiv sein soll, der Kinderpornografie verbreitet. Zeitgleich wird der gewalttätige Lebensgefährte seiner Schwester mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden. Beide Fälle sind nicht, was sie zunächst zu sein scheinen, und Fox sieht sich bald mit schwerer Korruption, Glücksspiel und schweren Jungs konfrontiert. Die Bilder und Themen aus The Complaints sind lange bekannt aus den Rebus-Büchern, die dunklen und gefährlichen Seiten Edinburghs sind längst hell ausgeleuchtet. Rankin setzt wie bei der Entwicklung seines neuen Protagonisten auch hier darauf, dass sein Publikum nicht zu sehr herausgefordert werden möchte. Es fällt nicht schwer, darüber enttäuscht zu sein. Ökonomisch aber geht das Rezept durchaus auf. The Complaints verkauft sich bestens.

Max Annas

Ian Rankin: Ein reines Gewissen (The Complaints, 2009). Roman.
Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller.
München: Manhattan 2010. 512 Seiten. 19,95 Euro.

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