Geschrieben am 16. Februar 2004 von für Bücher

Ian Rankin: Die Tore der Finsternis

Ohne den letzten Kick

Ian Rankin stürmt mit routiniert- solider Hausmannskost die Bestsellerlisten.

Ian Rankin ist der Megastar der englischen Krimiszene und erstürmt mit seinen Fällen regelmäßig die ersten Plätze der Bestsellerlisten. Mit seinem melancholischen Einzelgänger Detective Inspector John Rebus, der Rockmusik ebenso wie Pubs und Whiskey liebt, hat der 1960 geborene Schotte einen echten Typen mit Kanten und allerlei Abgründen geschaffen: „Dieser Beruf hat mich meine Frau gekostet, meine Tochter, die meisten meiner Freunde.“ Der Beruf ist Rebus’ Leben und fest verbeißt er sich mit durchaus eigenwilligen Ermittlungsmethoden in seine Fälle. Perfekt ergänzt wird Rankins’ Serienheld durch seine junge und ehrgeizige Partnerin Siobhan Clarke, die zusammen mit ihm in Edinburgh auf Verbrecherjagd geht – gewürzt mit viel Lokalkolorit und amüsanten Scharmützeln sowohl dienstlicher wie privater Natur.

Melancholischer Einzelgänger als Serienheld

In seinem neuesten Fall droht John Rebus nun ein empfindlicher Karriereknick – er hat eine Tasse Tee nach seiner Vorgesetzten Gill Templer geworfen und muss dafür nun zusammen mit weiteren Sündern im Scottish Police College Tulliallan – „Ort der Buße und der Errettung“ – ein Strafseminar absolvieren. Während seine Kollegin Clarke in Edinburgh weiter den Mord am Kunst- und Antiquitätenhändler Edward Marber untersucht, soll Rebus mit seinen Leidensgenossen zu Übungszwecken einen lange zurückliegenden, bisher unaufgeklärten Fall bearbeiten – und in diesen scheint er tiefer verstrickt zu sein, als gut wäre.

Unheilvoll taucht nach und nach die Vergangenheit und mit ihr Rebus’ zwielichtige Beziehung zu dem Drogen- und Gangsterboss Cafferty auf. Zusammen mit seinen Seminarkollegen, von denen einige im Verdacht der Korruption stehen, bewegt sich Rebus auf einem Minenfeld. Während beim Leser die Zweifel wachsen, auf welcher Seite Rebus steht, zweifelt dieser zunehmend an sich selbst: „Wurde er langsam paranoid? Sah er überall nur noch Fallstricke und Feinde?“

Immer enger knüpft sich das Netz der Indizien und Verdächtigungen und schließlich – nach einigen Knoten im Kopf des Lesers – laufen alle Fäden zusammen. Routiniert spult Ian Rankin den Plot ab, beherrscht – von einigen Längen und Füllseln abgesehen – souverän den Spannungsaufbau, die Dialoge seiner plastischen Figuren sowie die atmosphärische Dichte. Doch wie schon beim Vorgänger „Puppenspiel“ (2002) bleibt es bei solider Hausmannskost – die Schwelle zu einem absolut packenden und knisternden „Pageturner“ wird nicht überschritten.

Karsten Herrmann

Ian Rankin: Die Tore der Finsternis. Aus dem Englischen von Claus Varrelmann und Annette von der Weppen. Goldmann 2003. Gebunden. 544 Seiten. 22,90 Euro.