Geschrieben am 21. Mai 2014 von für Bücher, Litmag

Hilal Sezgin: Artgerecht ist nur die Freiheit

sezgin_artgerechtEin wichtiges Buch

– So, Jan Fleischhauer, Harald Martenstein und Konsorten, ihr müsst jetzt hier nicht weiterlesen, sonst regt ihr euch nur wieder auf über die Öko-Faschisten, die den Leuten vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Schont also lieber euer Herz und denkt im stillen Kämmerlein darüber nach, warum es mit dem Feminismus jetzt aber auch mal wieder gut is… Tschüssi!

Fein, nachdem wir jetzt wieder unter uns sind, können wir ja ganz unpolemisch von einem schönen, guten, wichtigen Buch sprechen, nämlich von Hilal Sezgins „Artgerecht ist nur die Freiheit“.

Ebenso wie Donaldson/Kymlickas kürzlich erschienenes „Zoopolis“ steht Sezgins Buch im Zeichen der Überlegungen zu einem ethisch vertretbaren Miteinander mit „nicht-menschlichen Tieren“ (obwohl sie diesen Begriff, der ja besagt, dass auch wir Menschen nichts weiter sind als Tiere, sehr selten verwendet, ist es ein deutliches Zeichen, dass sie es tut). Sezgins eigenes „Erweckungserlebnis“ war ein Nachmittag in den 80er-Jahren, den sie auf dem Land bei den Kühen verbrachte, nichts anderes im Sinn als diese Kühe und ihr Leben auf der Wiese zeichnend einzufangen (obwohl sie ihrer eigenen Ansicht nach noch nicht einmal gut oder gern zeichnete). Sie kam als Vegetarierin heim an diesem Abend, und das mit zwölf. Mittlerweile lebt sie als Journalistin und Autorin in der Lüneburger Heide und betreibt dort einen kleinen Gnadenhof mit Schafen und Hühnern, das heißt, bei ihr kommen Tiere unter, die eigentlich für die „Fleischproduktion“ bestimmt waren und gerettet wurden.

Was das Buch der studierten Philosophin von doch sehr theoretischen Werken wie „Zoopolis“ unterscheidet: Von Beginn an ist man beim Lesen auf Augenhöhe mit der Autorin. Sezgin schafft es, selbst beim Erwähnen sehr unangenehmer Wahrheiten niemals belehrend zu wirken, und verpackt den mahnenden Zeigefinger lieber hinter belegbaren Fakten und aufblitzendem Humor. Lesern von Jonathan Safran Foer („Tiere essen“) und Karen Duve („Anständig essen“) werden viele dieser Fakten bekannt vorkommen, aber es gibt ja auch viele, die davon noch nie gehört haben mögen, und die werden in diesem Buch jeden Menge inspirierendes Material zum Weiterdenken finden. Selbst Menschen, die der Tierthik skeptisch gegenüberstehen, werden Schwierigkeiten haben, sich der Argumentation von Sezgin zu entziehen.

Beginnend bei allgemeinen Überlegungen zu Ethik und Moral kommt Sezgin schnell zu konkreten Fragestellungen: Dürfen wir Tiere quälen? Dürfen wir sie töten? Dürfen wir sie überhaupt nutzen? Der Titel des Buches lässt schon erahnen, wie die Antwort auf all diese Fragen ausfällt. Doch gibt Sezgin auch nicht vor, die letztgültige Antwort zu wissen, wie wir ein Leben zusammen mit Tieren gestalten können – diese zu finden bleibt Aufgabe von uns allen zusammen in einer pluralen Gesellschaft, die sich nur beglückwünschen kann, dass Menschen wie Sezgin versuchen ihr die Augen zu öffnen.

Tina Manske

Hilal Sezgin: Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für die Tiere oder Warum wir umdenken müssen. C. H. Beck, 2014. 304 Seiten. 16,95 Euro.

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