Reduziert aufs Maximum
– Es hätte allen Grund prätentiös zu sein und ist doch der Unprätentiöseste von allen: Hermann Peter Piwitt legt eine dünne Autobiographie vor. Von Tina Manske
Nächstes Jahr wird er 80 Jahre alt: Hermann Peter Piwitt, seit den 60er-Jahren kritischer Begleiter des bundesrepublikanischen Alltags, ob als Romanautor oder als Publizist für z. B. „konkret“.
Sein Roman „Jahre unter ihnen“, erschienen 2006, machte diesen großen Stilisten auch einem größeren Publikum bekannt. Bereits 2002 hatten seine Tagebuchaufzeichnungen „Steinzeit“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Aber es ist schon so: für die großen Literaturpreise, die dieses Land zu vergeben hat, scheint er nicht vorgesehen zu sein. Ein Schelm, wer als Grund dafür seine linke, antikapitalistische Gesinnung vermutet.
„Der Mensch ändert sich nicht. Er versucht, die Fährte zu halten, auf die er seit seiner Geburt gesetzt ist. Und wechselt dafür nur die Wege.“ Fast 80 Jahre also, aber Piwitt weigert sich fast, davon zu erzählen. Bockig ist er, aber amüsant. „Lebenszeichen mit 14 Nothelfern“ ist quasi eine Anti-Autobiografie, das Gegenteil einer chronologischen Abhandlung von Lebensereignissen.
Piwitt hangelt an Anekdoten entlang, vom Krieg, von den Frauen, von den politischen Kämpfen der 70er-Jahre, von der Bohème im kaputten Berlin. Wer seine früheren Werke kennt, wird sich daran allerdings nicht stören – das Episodenhafte, die Kürze in der langen Form war schon immer seine große Stärke. Unprätentiös kommt das daher, auch wenn es zuweilen an Lebensweisheit grenzt. Und immer wieder der Versuch, einfach mittendrin aufzuhören: „Schluss, Schluss und nochmal Schluss… Kannst du nicht aufhören? Willst du nicht? Und war da nicht noch was? Was sie schon immer wissen wollten? Was wollen sie wissen?“
Nothelfer, das sind Freunde und Kollegen, denen er seinen Dank ausspricht dafür, in bestimmten Situationen für ihn dagewesen zu sein. Aber auch das Abwesende bekommt eine eigene Qualität: „Und wo man überall nicht war! Kalifornien. Ägypten. Südamerika. Istanbul! Und nie dort gewesen zu sein: wie wir es genossen!“ Während der Leser dieses Stakkato der Sätze genießt.
„’Wie können Kommunisten Dichter sein? Sie wissen ja alles schon im Voraus.‘ Das wussten sie im Voraus.“ Dass man ihm beharrlich die Preise verweigert: An Piwitts Hellsichtigkeit jedenfalls kann es nicht liegen. Oder vielleicht grade doch.
Tina Manske
Hermann Peter Piwitt: Lebenszeichen mit 14 Nothelfern. Geschichten aus einem kurzen Leben. Wallstein Verlag, 2014. 144 Seiten. 17,90 Euro.